Rz. 35

Die Freiheit des Übergebers, über sein Vermögen zu Lebzeiten zu verfügen, ist grundsätzlich unbeschränkt.[101] Dies gilt freilich nur so lange, wie der Praxis- bzw. Kanzleiinhaber keinen Erbvertrag errichtet hat und der Inhaber nicht unentgeltlich über seine Praxis bzw. seinen Kanzleianteil verfügt. Stellt der unentgeltlich übertragene Anteil nämlich einen Großteil des Vermögens dar, so kann dies eine Beeinträchtigung des Vertragserbens darstellen, wenn Erbe und Beschenkter auseinanderfallen. Weicht der Erblasser schenkungsweise vom Erbvertrag ab, so muss hierfür ein sogenanntes lebzeitiges Eigeninteresse vorliegen. Dies wird immer dann verneint, wenn der Erblasser aufgrund eines Sinneswandels eine ihm nunmehr näherstehende Person beschenkt.[102] Ferner liegt kein lebzeitiges Eigeninteresse vor, wenn der Erblasser, über den Umweg einer Schenkung, das Vermögen im Familienbesitz erhalten will, oder aber die unentgeltliche Zuwendung zugunsten enger Freunde erfolgt.[103]

 

Rz. 36

Das Risiko von Lösungen, welche im Rahmen vorweggenommener Erbfolge erfolgen, liegt eindeutig beim Übergeber. Je nachdem in welcher Höhe er sein Vermögen aus der Hand gibt, gibt er damit gleichzeitig seine Entscheidungs- und Leitungskompetenz an den Erwerber bzw. die nächste Generation ab. Entwickelt sich der Nachfolger in eine dem Zuwendenden unerwünschte Richtung, so kann dieser Kurs oftmals nicht mehr korrigiert werden.[104] Dieses Risiko sollte nicht unterschätzt werden. Schließlich nützt die beste Vereinbarung auf Zahlung einer angemessenen Rente nichts, wenn die Praxis bzw. die Kanzlei bereits nach kurzer Zeit in Richtung Zahlungsunfähigkeit steuert. Darüber hinaus sollten Seniorpartner, welche ihren Namen der Kanzlei weiterhin zur Verfügung stellen, genau prüfen, ob sie dieses Recht nicht einseitig an Bedingungen, oder aber an das Recht des jederzeitigen Widderrufs knüpfen. Andernfalls besteht die Möglichkeit, dass ihnen auch nach dem offiziellen Ausscheiden aus der Praxis bzw. Kanzlei Entscheidungen zugeordnet werden, welche sie nicht zu verantworten haben. In solch einem Fall ist die Schädigung des eigenen Renommees vorprogrammiert.

[101] Eingehend hierzu BGHZ 108, 73, 77.
[102] BGHZ 77, 264–273, BGHZ 83, 44–51 = BGH NJW 1982, 1100–1102.
[103] BGHNJW 1973, 240 sowie eingehend hierzu Soergel/Wolf, BGB, § 2287 Rn 13–18.
[104] Esch/Baumann/Schulze zur Wiesche, Handbuch der Vermögensnachfolge, S. 264 Rn 867.

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