Rz. 16

Die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts hängt entscheidend von der Bewertung von Leistung und Gegenleistung ab. Ist die Gegenleistung in vollem Umfang werthaltig, so scheidet § 2287 BGB aus, weil es sich in einem solchen Falle um ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft handelt. Nach dem von der h.M. und der BGH-Rechtsprechung vertretenen Prinzip der subjektiven Äquivalenz können die Parteien im Rahmen der ihnen zukommenden Privatautonomie den Wert von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich selbst bestimmen.[22] Im Bereich von Pflegeleistungen ist nicht die spätere tatsächliche Entwicklung für die Bewertung maßgebend, sondern die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.[23] Allerdings kann die Parteiautonomie nicht so weit gehen, dass eine vollkommen fehlende Gegenleistung ersetzt werden oder die Bewertung willkürlich sein könnte.[24]

 

Rz. 17

Wegen der bekannten praktischen Schwierigkeiten jeder Bewertung im objektiven und subjektiven Sinne ist der BGH dem Problem mit einer Beweislastregel begegnet: Besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein "auffallend grobes Missverhältnis", so wird vermutet, den Parteien sei dies bekannt gewesen und sie seien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit auch einig gewesen.[25]

Nur der überschießende unentgeltliche Teil einer gemischten Schenkung kann Gegenstand des Bereicherungsanspruchs nach § 2287 BGB sein.[26]

 

Rz. 18

Die Auswahl der geeigneten Wertermittlungsmethode steht nach der Rechtsprechung, wenn das Gesetz nicht, wie in § 1376 Abs. 4 BGB (Wert eines landwirtschaftlichen Betriebs im Zugewinnausgleich), die Anwendung eines bestimmten Verfahrens anordnet, im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters.[27]

 

Rz. 19

Die folgenden Fallbeispiele zur Bewertung von Gegenleistungen mögen zur Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit dienen. Besonders hervorgehoben sei der Beschluss des BGH vom 28.9.2016,[28] in dem sich der BGH sehr klar zu Fragen einer etwaigen Unentgeltlichkeit positioniert hat. Die Entscheidung gibt nicht nur Auskunft über die Bewertung eines Nießbrauchs und den Wert einer Pflegeverpflichtung, sondern betont darüber hinaus die Zweistufigkeit des Herausgabetatbestandes des § 2287 BGB, der zwingend voraussetzt, dass mindestens eine teilweise Unentgetlichkeit festgestellt werden kann.

[22] BGH NJW 1995, 1349 = DNotZ 1996, 640; BGHZ 59, 132; 82, 274; OLG Hamm AgrarR 1997, 441.
[23] BGH RNotZ 2017, 40.
[24] BGHZ 59, 132, 136; BGH FamRZ 1989, 732.
[25] BGH ZEV 1996, 197; BGHZ 116, 178, 183; vgl. auch J. Mayer, DNotZ 1996, 613 und J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2287 BGB Rn 19 ff.
[26] J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2287 BGB Rn 22.
[27] BGH NJW 2004, 2671 = BGH Report 2004, 1402 = ZAP EN-Nr. 676/2004 = DNotI-Report 2004, 192 = BGHZ 160, 8; BGHZ 17, 236, 238; BGH WM 1972, 687, 688; WM 1997, 33 = NJW 1997, 129.

aa) Bewertung eines Grundstücks

 

Rz. 20

Die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 19.5.2010 (BGBl I 2010, 639) legt die Grundsätze zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken fest. Sie findet überall dort Anwendung, wo der Marktwert von Grundstücken oder Immobilien zu ermitteln ist.

Sie unterscheidet

(1) Vergleichswertverfahren,
(2) Ertragswertverfahren,
(3) Sachwertverfahren.
 

Rz. 21

Am häufigsten werden Sachwert- und Ertragswertmethode angewandt. Für eigengenutzte Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen dürfte im Regelfall die Sachwertmethode zum richtigen Ergebnis führen, bei Mietshäusern die Ertragswertmethode, weil es dabei für einen Interessenten auf die Verzinsung seines Kapitaleinsatzes ankommt.[29] Aber auch Mischwerte aus Ertragswert und Sachwert kommen in Betracht.[30]

Letztlich ist es im Prozess Aufgabe des Tatsachenrichters, die maßgebende Methode bzw. den verbindlichen Wert festzustellen. Wird ein Grundstück zeitnah zum Erbfall veräußert, so ist der Verkaufserlös maßgebend.[31]

 

Rz. 22

Dazu der BGH im Urt. v. 2.7.2004:[32]

Zitat

"Die Auswahl der geeigneten Wertermittlungsmethode steht nach der Rechtsprechung, wenn das Gesetz nicht, wie in § 1376 Abs. 4 BGB (Wert eines landwirtschaftlichen Betriebs im Zugewinnausgleich), die Anwendung eines bestimmten Verfahrens anordnet, im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (BGHZ 17, 236, 238; Urt. v. 26.4.1972, IV ZR 114/70, WM 1972, 687, 688; v. 25.10.1996, V ZR 212/95, WM 1997, 33 = NJW 1997, 129). In den vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen hat der Senat die Anwendung der Ertragswertmethode auf die dort zu beurteilenden, auf laufende Ertragserzielung eingerichteten Objekte für unbedenklich erachtet (Urt. v. 25.10.1996, V ZR 212/95, a.a.O.; v. 12.1.2001, V ZR 420/99, WM 2001, 997 = NJW-RR 2001, 732, hier in Kombination mit dem Sachwertverfahren). Wie auch in anderen Fällen, in denen die Bemessung nach Vergleichswerten, Sachwerten oder dem Ertrag rechtlich zu keinen Beanstandungen geführt hat (Urt. v. 13.7.1970, VII ZR 189/68, NJW 1970, 2018...

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