Rz. 47

Nur eine auch objektive Beeinträchtigung des Vertragserben ist entscheidend. Hierbei ist zu prüfen, inwieweit der Vertragserbe bspw. bei lebzeitigen Zuwendungen an den Ehegatten benachteiligt ist, da der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB auf dasjenige beschränkt ist, was nach Begleichung des Pflichtteils (ggf. auch der Zugewinnausgleichsforderung) übrig bleibt.[66]

Als gleichsam ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt der Anspruch nach § 2287 BGB voraus, dass die berechtigten Erberwartungen des Vertragserben objektiv beeinträchtigt werden.[67] Ein Anspruch aus § 2287 BGB scheidet daher aus, wenn die Schenkung des gebundenen Erblassers nicht zu einer echten Wertverschiebung zu Lasten des bindend eingesetzten Erben führt. Auch eine bindend gewordene Verfügung von Todes wegen hindert daher den Erblasser nicht, durch nicht wertverschiebende Teilungsanordnung oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einem Erben an bestimmten Nachlassgegenständen mehr zukommen zu lassen, als dem Wert des Erbteils entspricht.[68] Im Falle einer lebzeitigen Zuwendung ist die entsprechende Wertkompensation für den bindend eingesetzten Erben dann durch entsprechende Ausgleichsbestimmungen herbeizuführen.[69]

 

Rz. 48

Eine objektive Beeinträchtigung ist weiter zu verneinen,

wenn der Erblasser die verschenkten Gegenstände dem Beschenkten auch trotz des bestehenden Erbvertrags bzw. gemeinschaftlichen Testaments hätte zukommen lassen können,[70] bspw. wenn für den Erblasser im Erbvertrag oder im gemeinschaftlichen Testament ein entsprechender Vorbehalt vorgesehen war,[71] oder wenn es dem Überlebenden ausdrücklich gestattet ist, unter Lebenden frei über den Nachlass zu verfügen;[72]
wenn Zugewinnausgleich und Pflichtteilsansprüche des Beschenkten zum gleichen Ergebnis geführt hätten;[73] beide Ansprüche wären ohnehin vom Vertragserben vorrangig zu erfüllen gewesen;[74]
bei einer zu Lasten des beschenkten vertraglichen Mit-Schlusserben vom Erblasser angeordneten Ausgleichungspflicht in der Erbteilung nach § 2050 Abs. 3 BGB;[75]
wenn dem beeinträchtigten Miterben das verschenkte Grundstück als Vorausvermächtnis zugewandt ist;[76]
wenn der Erblasser die bindende Verfügung wirksam hätte anfechten können, etwa nach §§ 2281, 2079 BGB.

Allerdings können lebzeitige Zuwendungen des Erblassers, die vom Erbvertrag abweichen, an einige seiner Abkömmlinge eine missbräuchliche Benachteiligung von Vertragserben i.S.d. § 2287 Abs. 1 BGB sein, auch wenn der Erblasser damit Vorempfänge an andere Vertragserben ausgleichen wollte.[77]

[66] BGH NJW-RR 1996, 133.
[67] BGH FamRZ 1989, 175; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2287 Rn 37; Keim, ZEV 2002, 93, 94.
[68] J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2287 Rn 40; Keim, ZEV 2002, 93, 94.
[69] BGHZ 82, 274; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2287 BGB Rn 40; Keim, ZEV 2002, 93, 94.
[70] BGHZ 82, 278 = BGH NJW 1982, 43; BGH FamRZ 1989, 175.
[71] BGH NJW 1983, 2378; BGH WM 1986, 1222.
[72] J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2287 BGB Rn 36.
[73] BGHZ 88, 269, 272; BGHZ 116, 175 = BGH ZEV 1996, 25 = NJW-RR 1996, 133.
[74] Staudinger/Kanzleiter, § 2287 BGB Rn 8.
[75] BGH FamRZ 1989, 175 mit Anm. Musielak; BGH NJW 1982, 43 = BGHZ 82, 275.
[76] OLG Köln ZEV 1997, 423 mit abl. Anm. Skibbe.
[77] BGH ZEV 2006, 312 = FamRZ 2006, 473.

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