Rz. 24

Der Anschein einer Beschwer kann für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ausreichend sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine im Tenor vorgenommene Klageabweisung auf der rechtsirrigen Annahme des Vorliegens verschiedener Streitgegenstände (siehe oben § 25 Rdn 133 ff.) beruht, obwohl in Wirklichkeit nur eine von mehreren rechtlichen Begründungen des Klageanspruchs verneint wurde. Zwar hat die teilweise Abweisung in diesem Fall keine materielle Rechtskraftwirkung und geht ins Leere, weil bei Zuerkennung des prozessualen Anspruchs für eine teilweise Abweisung der Klage kein Platz mehr ist. Sie schafft aber dennoch den Anschein einer Beschwer, der der mit dem insoweit unrichtigen Urteil belasteten Partei die Möglichkeit eröffnet, den Fehler zu beseitigen.[63] Das Gleiche gilt, wenn auf die Auszahlung eines Saldos geklagt und die Klage im Hinblick auf einen bloßen unselbstständigen Rechnungsposten abgewiesen wird.[64] Dagegen tragen unzulässige Ausführungen zur Schadenshöhe in einem Grundurteil (siehe oben § 27 Rdn 168) keinen Anschein einer formellen Beschwer.[65]

 

Rz. 25

Auch von Scheinurteilen – insbesondere nicht verkündeten[66] Entscheidungen[67] – und wirkungslosen Urteilen – insbesondere unbestimmten und damit nicht vollstreckungsfähigen Entscheidungen – gehen zumindest scheinbar Wirkungen aus, die die nach ihrem Inhalt unterlegene Partei gefährden können und damit beschweren. Sie sind daher mit denselben Rechtsmitteln anfechtbar wie ein wirksam erlassenes und Rechtswirkungen entfaltendes Urteil.[68]

[63] BGH, Urt. v. 10.3.1993 – VIII ZR 85/92, NJW 1993, 569.
[66] Verkündungsmängel stehen dem wirksamen Erlass eines Urteils allerdings nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, sodass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht: BGH, Beschl. v. 5.12.2017 – VIII ZR 204/16, NJW-RR 2018, 127 Rn 7 m.w.N.
[67] BGH, Beschl. v. 3.11.1994 – LwZB 5/94, NJW 1995, 404.
[68] BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 108/95, NJW 1996, 1969; BGH, Urt. v. 12.10.1953 – III ZR 379/52, BGHZ 10, 346.

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