Rz. 169

 

Fall 1

Erblasser E ist mit EP im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Er hinterlässt fünf Kinder K1 bis K5. Der Nachlass beträgt 100.000 EUR. Das Anfangsvermögen der beiden Eheleute betrug 0 EUR. Das Endvermögen von EP beträgt 0 EUR. Es liegt eine letztwillige Verfügung vor, in der K3 von E zum Alleinerben eingesetzt wurde. Erblasser E war Versicherungsnehmer zweier kapitalbildender Lebensversicherungen, einmal mit einer Versicherungssumme von 100.000 EUR (Versicherung A) und einer Versicherung mit einer Versicherungssumme von 50.000 EUR (Versicherung B). Beide Versicherungen laufen länger als zehn Jahre. E war auch versicherte Person. Er bestimmt Bezugsrechte wie folgt:

K1 bekommt Versicherung A (Versicherungssumme von 100.000 EUR);
K2 bekommt Versicherung B (Versicherungssumme von 50.000 EUR);
Lebensversicherung A hat einen Rückkaufswert von 40.000 EUR zum Todeszeitpunkt;
Lebensversicherung B hat einen Rückkaufswert von 20.000 EUR zum Todeszeitpunkt;
EP war mit der Einräumung der Bezugsrechte einverstanden.

Wie hoch sind die Ansprüche von EP?

Lösung:

Da EP enterbter Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist, stehen ihr ein Zugewinnausgleichsanspruch sowie ein Pflichtteilsanspruch zu.

Im ersten Schritt ist der Zugewinnausgleichsanspruch zu bestimmen. Da EP mit der Einräumung des Bezugsrechts einverstanden war, ist die Berechnung wie folgt vorzunehmen:

I. Zugewinnausgleichsanspruch

Dieser errechnet sich, da die Zustimmung zur Einräumung des Bezugsrechts erteilt worden ist, ohne die Lebensversicherung wie folgt:

 
Endvermögen des Erblassers 100.000,00 EUR
Anfangsvermögen 0,00 EUR
Zugewinn E 100.000,00 EUR
Zugewinnausgleichsanspruch EP 50.000,00 EUR

II. Pflichtteilsanspruch

Der Zugewinnausgleichsanspruch ist bei der Berechnung des Pflichtteils Nachlassverbindlichkeit und ist somit von den Aktiva abzuziehen.

Es ergibt sich nun folgende Berechnung:

 
Nachlassaktiva (= Endvermögen) 100.000,00 EUR
Nachlasspassiva (Zugewinnausgleich) 50.000,00 EUR
Nettonachlass 50.000,00 EUR

EP hat weiterhin einen Pflichtteilsanspruch i.H.v. 1/8 aus 50.000 EUR, somit 6.250 EUR.[98]

III. Pflichtteilsergänzungsanspruch

Die Einräumung des Bezugsrechts erfolgte schenkungsweise. Es ist der fiktive Nachlass wie folgt zu errechnen:

 
Versicherung A 100.000,00 EUR
+ Versicherung B 50.000,00 EUR
gesamt 150.000,00 EUR

EP hat einen Pflichtteilsergänzungsanspruch i.H.v. 1/8 aus 150.000 EUR, somit 18.750 EUR.[99]

IV. Gesamtansprüche von EP

 
Zugewinnausgleichsanspruch 50.000,00 EUR
Pflichtteil 6.250,00 EUR
Pflichtteilsergänzung 18.750,00 EUR
Gesamt: 75.000,00 EUR

Diese Ansprüche muss EP wie folgt geltend machen:

Zugewinn gegen Kind K3 i.H.v. 50.000 EUR

Pflichtteil gegen Kind K3 i.H.v. 6.250 EUR

Pflichtteilsergänzung wie folgt:

 
gegen K3: 18.750 EUR x 74,628 % 13.991,25 EUR
gegen K1: 18.750 EUR x 25,38 % x ⅔ 3.172,50 EUR
gegen K2: 18.750 EUR x 25,38 % x ⅓ 1.586,25 EUR
Gesamt: 18.750,00 EUR
[98] K1, K2, K4 und K5 steht jeweils ein Pflichtteilsanspruch gegen K3 i.H.v. ¾ aus 50.000 EUR, somit 3.750 EUR zu.
[99] K4 und K5 haben einen Pflichtteilsergänzungsanspruch von je 11.250 EUR.

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