1. Rechtsgestaltungsinstrument Vermächtnis

 

Rz. 1

Nach der Erbeinsetzung ist die wichtigste und häufigste testamentarische Anordnung das Vermächtnis. Es beinhaltet die Zuwendung eines Vermögensvorteils, ohne den Bedachten als Gesamtrechtsnachfolger einzusetzen (§ 1939 BGB). Für den Vermächtnisnehmer wird ein Forderungsrecht gegen den Beschwerten – das kann der Erbe oder ein Vermächtnisnehmer sein – begründet (§ 2174 BGB). Schuldner und damit Beschwerter des Vermächtnisanspruchs ist in der Regel der Erbe bzw. die Erbengesamtheit (§ 2147 BGB). Mehrere Erben oder Vermächtnisnehmer haften im Außenverhältnis als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) und tragen im Innenverhältnis die Vermächtnislast im Verhältnis der Erbteile bzw. im Verhältnis des Wertes der Vermächtnisse (§ 2148 BGB).

 

Rz. 2

Erklärt der Erblasser ausdrücklich, dass dem testamentarischen Erben ein bestimmter Erbschaftsgegenstand nicht zufallen soll, gilt er gem. § 2149 BGB im Zweifel als dem gesetzlichen Erben vermacht. Den testamentarischen Erben trifft die Beweislast für einen davon abweichenden Erblasserwillen, insbesondere auch für einen Vorbehalt i.S.v. § 2086 BGB, der Erblasser habe das Testament später ergänzen wollen.[1]

 

Rz. 3

Subsidiär gilt Schuldrecht, soweit spezielle Regelungen im Vermächtnisrecht fehlen. Das Vermächtnis ist der häufigste Fall eines einseitigen Schuldverhältnisses nach §§ 241304, 311 BGB.

 

Rz. 4

Die zusätzlich zum erbvertraglich angeordneten Vermächtnis vereinbarte formfreie Verpflichtung zur Nichtverfügung über den Vermächtnisgegenstand (Verfügungsunterlassungsvertrag) löst bei Verstößen Schadensersatzpflicht aus, §§ 137 S. 2, 280 Abs. 1 BGB.[2]

 

Rz. 5

Der Vermächtnisanspruch wird durch die jeweiligen sachenrechtlichen Übertragungsakte erfüllt, bei Grundstücken insbesondere durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch, bei beweglichen Sachen durch Einigung und Übergabe.[3]

 

Rz. 6

In Fällen des wertbezogenen Vermächtnisses, bspw. ist ein Vermächtnis in Höhe des Geldwertes eines Bruchteils des Nachlasses zugewandt, hat der Vermächtnisnehmer gegen den Erben Anspruch auf Auskunft über die Höhe des Nachlasses.[4]

Wertermittlungsanspruch des Vermächtnisnehmers:

Ist einem Vermächtnisnehmer ein Anteil eines Nachlassgrundstücks als Geldanspruch zugewandt, dann steht dem Vermächtnisnehmer ein Anspruch auf Wertermittlung des Nachlassgrundstücks zum Stichtag des Erbfalls gem. § 242 BGB zu, wenn er die Kenntnis zur Geltendmachung seines Vermächtnisanspruchs benötigt. Der belastete Erbe hat die Kosten der Wertermittlung zu tragen.[5]

[1] OLG Stuttgart, ZEV 2008, 434 = ZFE 2008, 438.
[2] BGH NJW 1959, 2252; NJW 1963, 1602.
[3] In der Literatur wird teilweise die Meinung vertreten, der beschwerte Erbe fungiere ab dem Vermächtnisanfall grundsätzlich als eine Art gesetzlicher Treuhänder des begünstigten Vermächtnisnehmers: Tiedtke/Peterek, ZEV 2007, 349.
[4] BGH WM 1964, 950 = VersR 1964, 1100 = DB 1964, 1370; Keilbach, FamRZ 1996, 1191; Roth, NJW-Spezial 2017, 39.
[5] LG Karlsruhe ZErb 2005, 130.

2. Abgrenzung Erbeinsetzung – Vermächtnis

 

Rz. 7

Wird einer Person ein bestimmter Anteil des Nachlasses zugewendet (als Bruchteil oder als Prozentsatz des Vermögens), so ist mit der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB – sofern kein anderer Erblasserwille vorrangig festzustellen ist –, also bei verbleibenden Zweifeln, davon auszugehen, dass der Zuwendungsempfänger als Erbe eingesetzt ist. Jedoch steht es dem Erblasser frei, dem Zuwendungsempfänger einen bestimmten Bruchteil des Nachlasswertes nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten als sog. Quotenvermächtnis[6] zuzuwenden.

 

Rz. 8

Auslegungsregel: § 2087 Abs. 2 BGB; bestimmte Worte sind nicht erforderlich. Die Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes ist i.d.R. Vermächtnisanordnung.[7] Allerdings ist die Höhe des Vermächtnisses nicht beschränkt.[8] Es kann auch den gesamten Nachlass aufzehren, so dass dem Erben nichts mehr verbleibt, sog. Universalvermächtnis. D.h., die Auslegung eines Testaments im Sinne einer Erbeinsetzung setzt nicht notwendig voraus, dass dem Erben dem Wert nach der größte Teil des Nachlasses verbleibt.[9]

 

Rz. 9

Die Zuwendung einzelner Nachlassgegenstände spricht nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB zwar für eine Vermächtnisanordnung, diese Auslegungsregel ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn sich ein abweichender Wille des Erblassers feststellen lässt. Ein solcher abweichender Wille des Erblassers liegt in der Regel nahe, wenn die zugewendeten Vermögensbestandteile das im Testament nicht weiter genannte Vermögen an Wert erheblich übertreffen, insbesondere wenn angenommen werden kann, der Erblasser habe in diesen Gegenständen – wie dies gerade bei Immobilienvermögen häufig der Fall ist – im Wesentlichen seinen Nachlass erblickt.[10] Für die Feststellung, in welchem Verhältnis der Wert des zugewendeten Gegenstands zum übrigen Vermögen des Erblassers steht, sind insoweit – also hinsichtlich der Frage einer Erbeinsetzung – die Vorstellungen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung maßgebend.[11]

 

Rz. 10

Vorrangig vor der Anwendung der Auslegungsregel des § 2087 Abs...

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