Rz. 153

Durch das am 9.4.1983 verkündete Urteil des BVerfG war die Unwirksamkeit von Art. 15 EGBGB 1900 rückwirkend zum 1.4.1953 festgestellt worden. Für die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des IPR am 1.9.1986 geschlossenen Ehen wurde daher in Art. 220 Abs. 3 EGBGB eine komplexe Übergangsregelung geschaffen. Vereinfacht gilt danach Folgendes:

Für vor dem 1.4.1953 geschlossene Ehen gilt weiterhin Art. 15 EGBGB 1900 und damit das Heimatrecht des Ehemannes bei Eheschließung, Art. 220 Abs. 3 S. 6 EGBGB. Die Eheleute können aber eine Rechtswahl gem. Art. 15 Abs. 2 EGBGB 1986. treffen.
Für nach dem 8.4.1983 geschlossene Ehen ist das Güterstatut nach dem 1986 erlassenen Art. 15 EGBGB 1986. zu bestimmen, Art. 220 Abs. 3 S. 2 EGBGB.

Für nach dem 31.3.1953 und vor dem 9.4.1983 geschlossene Ehen gilt

das gemeinsame Heimatrecht der Eheleute, wenn diese bei Eheschließung eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besaßen, Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB.
Bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit der Eheleute bei Eheschließung gilt bis zum 8.4.1983 das Heimatrecht des Ehemannes, Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 EGBGB. Für die Zeit danach gilt – rückwirkend auf den Beginn der Ehe – Art. 15 EGBGB n.F., wobei es für die Anknüpfung auf die Umstände am 9.4.1983 ankommt, Art. 220 Abs. 3 S. 2, 3 EGBGB.
Haben sich aber die Eheleute noch vor dem 9.4.1983 gemeinsam einem bestimmten Recht "unterstellt" oder sind sie gemeinsam "von dessen Anwendung ausgegangen", so gilt dieses Recht, Art. 220 Abs. 3 S. 1 Ziff. 2 EGBGB. Dieser Tatbestand wird von der Rspr. sehr weit ausgelegt.[80] Alle äußeren Umstände seien einzubeziehen, wie etwa gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten, der Erwerb von Immobilien zur Schaffung eines Familienheimes, Grundbucheintragungen und andere gemeinsame Erklärungen gegenüber Behörden oder Handlungen, die ohne Bezug zu einer bestimmten Güterrechtsordnung nicht denkbar wären. Es reiche, dass die Eheleute "wie selbstverständlich von der ihnen am nächsten liegenden Rechtsordnung ausgegangen sind".[81] Als – mit dem gemeinsamen Unterstellen bzw. dem Vertrauen "konkludent und formlos gewähltes" – Recht gilt dieses Recht über den Stichtag des 8.4.1983 hinaus unter den materiellen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 EGBGB fort.[82] Um eine faktische Weiterwirkung der gleichheitswidrigen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Ehemannes nach altem Recht zu vermeiden, darf diese Unterstellung unter ein bestimmtes Recht aber nicht darauf beruhen, dass die Eheleute sich an der alten gesetzlichen Regelung orientierten.[83] Die durch diese Auslegung provozierten praktischen Unsicherheiten lassen sich am einfachsten durch eine ausdrückliche Rechtswahl bzw. eine ausdrückliche gemeinsame Erklärung der Eheleute ausräumen:

Muster 26.30: Erklärung zum Güterstand in Alt-Ehen

 

Muster 26.30: Erklärung zum Güterstand in Alt-Ehen

Wir haben im Jahre 1975 geheiratet. Damals waren die Ehefrau italienische und der Ehemann deutscher Staatsangehörige. Wir sind bis zum 9.4.1983 gemeinsam davon ausgegangen, dass für uns das deutsche Güterrecht gilt und wir im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben.

ALTERNATIV: Wir sind bis zum 9.4.1983 weder gemeinsam von der Geltung eines bestimmten Rechts für unsere güterrechtlichen Verhältnisse ausgegangen, noch haben wir uns einem bestimmten Recht unterstellt. Insbesondere haben wir auch keine Erklärungen über unseren Güterstand abgegeben oder einen Ehevertrag abgeschlossen. Am 9.4.1983 haben wir beide unseren Lebensmittelpunkt in Deutschland gehabt. Wir gehen daher davon aus, dass für uns deutsches Güterrecht gilt.

Sollte – aus welchem Grunde auch immer – deutsches Güterrecht nicht gelten, so vereinbaren wird nun hilfsweise dessen Geltung, nach Möglichkeit mit Rückwirkung auf den Beginn der Ehe.

[80] BGH NJW 1987, 584.
[81] BGHZ 119, 400; BGH NJW 1988, 639; BGH FamRZ 1993, 292; OLG Köln FamRZ 1996, 1480.
[82] BGH FamRZ 1986, 1202.

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