Rz. 1

Am 4.7.2012 hat der Rat der EU die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) verabschiedet.[1] Diese brachte für das deutsche internationale Erbrecht einen Paradigmenwechsel vom Staatsangehörigkeitsprinzip zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person soll ihren Lebensmittelpunkt bezeichnen. Die EuErbVO enthält insoweit – wie die übrigen Verordnungen der Union – keine eigene Definition des Begriffes. Erwägungsgründe (EG) 23 und 24 EuErbVO betonen allein, dass bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts eine besonders langfristige Betrachtung zugrunde zu legen ist. Alle relevanten Tatsachen sollen berücksichtigt werden, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen. Umstritten ist nun, ob sich hieraus ergibt, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der Erbrechtsverordnung "erbrechtsspezifisch" auszulegen ist, so dass sich durch Betonung der langfristigen Perspektive im Erbrecht eine größere Stabilität ergibt, als dies bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Bereich des Familien- bzw. des Verfahrensrechts der Fall ist.[2] Die mit der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit verbundene Stabilität (Unsicherheiten bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, kein unerwarteter Wechsel des anwendbaren Rechts bei einem Umzug etc.) soll durch die Einführung einer Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts abgefedert werden.

Da es sich bei dem gewöhnlichen Aufenthalt – anders als bei der Staatsangehörigkeit – um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt und zur Interpretation noch wenig Rechtsprechung vorliegt, kommt es gerade in Randbereichen zu Auslegungsproblemen. Unklar ist insbesondere die Behandlung der sogenannten Mallorca-Rentner, die den überwiegenden Teil des Jahres im Süden verbringen, weiterhin aber eine heimatliche Verbindung mit Deutschland oder einem anderen Herkunftsstaat aufrechterhalten. Ähnliches gilt für Wissenschaftler, die für einen begrenzten Zeitraum von drei, fünf oder zehn Jahren in einem ausländischen Institut arbeiten oder dort lehren.

 

Rz. 2

Will ein deutscher Erblasser verhindern, dass seine Erbfolge und die Wirkungen seines Testaments nach dem Recht eines ausländischen Staates beurteilt werden, in dem er aktuell bzw. zum Zeitpunkt seines Todes ggf. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, so kann er eine vorsorgliche Rechtswahl treffen. Art. 22 EuErbVO sieht vor, dass der Erblasser die Erbfolge nach seinem Tod dem Recht eines der Staaten unterstellt, denen er zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments angehört. Diese Rechtswahl ist gem. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO auch dann anzuerkennen, wenn sie vor dem Anwendungsstichtag für die Erbrechtsverordnung getroffen worden ist. Nach allgemeiner Ansicht muss die Rechtswahl nicht ausdrücklich angeordnet werden, sondern kann sich auch aus dem Zusammenhang des Testaments ergeben ("konkludente Rechtswahl"). Eine professionelle Gestaltung dürfte allerdings zur Klarstellung stets eine ausdrückliche Rechtswahl empfehlen – auch wenn diese gem. § 104 GNotKG im Beurkundungsverfahren jetzt eine zusätzliche Gebühr i.H.v. 30 % des Geschäftswerts auslöst.

 

Rz. 3

Will der Erblasser die Geltung seines Aufenthaltsrechts herbeiführen, so gewährt ihm die EuErbVO keine Rechtswahlmöglichkeit. Er könnte aber durch ein "statement of residence" bekennen, wo sich nach seiner Absicht sein gewöhnlicher Aufenthalt befindet.

Muster 26.1: Statement of Residence bzw. negative Rechtswahl

 

Muster 26.1: "Statement of Residence" bzw. "negative Rechtswahl"

Ich bin deutscher Staatsangehöriger. Ich lebe seit dem 1.10.2003 in Exeter, wo ich eine Anstellung an der Universität habe. Der Anstellungsvertrag ist zwar immer auf die Dauer von 3 Jahren beschränkt. Er wird aber regelmäßig verlängert. Ich strebe auch nach dem Ablauf des aktuellen Vertrags eine erneute Verlängerung an. Ich habe meinen Lebensmittelpunkt in Exeter, hier leben meine Frau und meine Kinder, hier gehen sie zur Schule und hier habe ich meine Freunde. Ich habe daher hier meinen langfristig angelegten Lebensmittelpunkt und damit gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Erbrechtsverordnung. Ich bestimme daher, dass die Wirksamkeit dieses Testaments und die Erbfolge nach meinem Tod dem englischen Recht unterliegen sollen.

 

Rz. 4

Anders als die Rechtswahl, die auch nach Aufgabe der maßgeblichen Staatsangehörigkeit wirksam bleibt, ist das statement of residence aber an den Fortbestand der Umstände gebunden. Es verliert daher mit dem Verlauf der Zeit seine Überzeugungskraft. Kommt es zu einem Umzug, so verliert das statement seine Bedeutung.

[1] Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die An...

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