Rz. 44

Dem pflichtteilsberechtigten Erben steht nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB ein Wahlrecht zu, den belasteten Erbteil anzunehmen oder ihn auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen. Nach zwischenzeitlich wohl überwiegender Ansicht kann der Sozialleistungsträger das Ausschlagungsrecht als höchstpersönliches Gestaltungsrecht nicht auf sich überleiten,[60] damit kann er auch nicht selbst die Ausschlagung erklären und das Entstehen eines überleitbaren Anspruchs nach § 93 SGB XII herbeiführen. Unter Umständen kann aber der Sozialleistungsträger die Ausschlagung vom Behinderten verlangen und zur Voraussetzung der Gewährung von Sozialhilfe machen, wenn das Ausschlagungsrecht zur Erlangung des Pflichtteils eine i.S.d. SGB XII einzusetzende Vermögensposition ist.[61]

 

Rz. 45

Ist ein familienfremder Betreuer für den Behinderten bestellt, könnte dieser sich ggf. veranlasst sehen, eine solche Ausschlagung zu erklären. Soweit in derartigen Fällen der gesetzliche Betreuer eines Behinderten gleichzeitig Miterbe, Nacherbe oder in sonstiger Weise i.S.d. § 1824 BGB durch Interessenkollision von der Vertretung ausgeschlossen ist bzw. eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1789 Abs. 2 BGB durch das Familien- bzw. Betreuungsgericht erfolgt, kommt es ggf. zur Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach § 1817 Abs. 5 BGB[62] mit dem Aufgabenkreis der "Prüfung bzgl. der Ausschlagung der Erbschaft". Gerade bei Nachlässen mit hohem Wert und daher möglicherweise einem mit der Ausschlagung entstehenden hohen Pflichtteilsanspruch, der die Sicherstellung der Versorgung des Behinderten ermöglicht – daher eine günstigere Rechtsstellung des Behinderten als durch die Beschwerungen der Vor- und Nacherbfolge mit Testamentsvollstreckung ermöglicht –, würde die Ausschlagung dem Wohl des Betreuten entsprechen (§ 1821 BGB). Bei großen Nachlässen gilt daher insoweit die gleiche Vorsicht, wie dies im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit bereits geboten ist.

 

Rz. 46

Auch bei ertragslosen Nachlässen kann sich für den Betreuer die Pflicht zur Ausschlagung des Erbteils zum Wohle des Betreuten ergeben, da ein sich ergebender Pflichtteilsanspruch möglicherweise trotz Verbrauchs im Rahmen des eigenen Bedarfs immer noch als vorteilhafter zu werten wäre als eine (Vor-)Erbenstellung, aus der keinerlei Nutzungen fließen.

[60] Grüneberg/Weidlich, § 2306 Rn 7; ausf. Ivo, ZErb 2004, 174 ff. und Joussen, ZErb 2003, 134 ff.
[61] Erwähnt in Damrau/J. Mayer, ZEV 2001, 293.
[62] Grüneberg/Götz, § 1817 Rn 12.

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