Rz. 80

Die sog. umgekehrte Vermächtnislösung ist ein Modell, das von Grziwotz entwickelt wurde.[121] Sie basiert auf der Grundlage der Erbschaftslösung und vermeidet durch Anordnung von Vermächtnissen zugunsten der nicht behinderten Kinder die Nachteile der gesamthänderischen Bindung des Nachlasses.

 

Rz. 81

Nach diesem Vorschlag erfolgt zunächst die Einsetzung des behinderten Kindes als nicht befreiter Vorerbe, die Einsetzung der Geschwister zu Nacherben. Die weichenden Angehörigen inklusive des Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners erhalten Vermächtnisse und werden gleichermaßen Nacherben des behinderten Vorerben. Gleichzeitig wird erneut über den Erwerb von Todes wegen des behinderten Kindes Dauertestamentsvollstreckung (§ 2209 S. 1 BGB) mit entsprechenden Verwaltungsanordnungen angeordnet, wobei der Testamentsvollstrecker auch den Vollzug der Vermächtnisse an die weichenden Erben vornehmen soll (§ 2223 BGB). Grziwotz spricht zwar von einer "gegenständlich beschränkten" Vor- und Nacherbschaft.[122] Anzunehmen ist aber, dass das nicht wörtlich zu verstehen ist. Eine lediglich auf einzelne Nachlassgegenstände bezogene Vor- und Nacherbschaft wäre unzulässig.[123] Faktisch führt das Modell aber dazu, dass dem Vorerben lediglich die Vermögenswerte als Vorerbe verbleiben, die nicht Dritten vermächtnisweise zugeordnet werden.

[121] Grziwotz, ZEV 2002, 409 ff.
[122] Grziwotz, ZEV 2002, 409.
[123] Scherer/Wachter, MAH Erbrecht, § 7 Rn 85.

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