Rz. 159

Das Modell enthält eine Vielzahl von Ausschlüssen (18 an der Zahl! – vgl. Ziff. 5.1 bis 5.18), die D&O-Versicherer nur teilweise bei konkreten Vertragsgestaltungen (und dazu regelmäßig wesentlich weniger viele) berücksichtigen. Für das Eingreifen der Ausschlüsse trägt der Versicherer die Beweislast. Nachfolgend können – aufgrund der überblickartigen Struktur der hiesigen Darstellung – nur die wichtigsten Ausschlüsse behandelt werden. Im Einzelnen:

I. Vorsätzliche Schadenverursachung und wissentliche Pflichtverletzung (Ziff. 5.1)

 

Rz. 160

Ziff. 5.1 sieht zunächst einen Ausschluss vor wegen "vorsätzlicher Schadenverursachung".[424] Dieser Leistungsausschluss entspricht dem in § 103 VVG[425] bei vorsätzlicher Herbeiführung des Schadenereignisses.[426] Erfasst ist damit auch der "bedingte Vorsatz", also die "billigende Inkaufnahme der Schädigung".[427] Es ist allerdings hervorzuheben, dass sich der Vorsatz nicht nur auf das Schadenereignis, sondern auch auf die Schadensfolgen und auf die haftungsausfüllende Kausalität[428] beziehen muss.[429] Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind aber auch Haftpflichtansprüche nach Ziff. 5.1 des Modells, bei denen "durch wissentliches Abweichen" von im Einzelnen zitierten Regelungen, Satzungen, Gesellschafterbeschlüssen ein Schaden entstanden ist.[430] Es geht dabei um ein "bewusstes Abweichen". Erforderlich dafür sind – wie in der Literatur hervorgehoben wird – Pflichtbewusstsein und Pflichtverletzungsbewusstsein.[431] Voraussetzung der wissentlichen Pflichtverletzung ist positive Kenntnis der in Rede stehenden versicherten Person von der Pflichtverletzung und das Bewusstsein, pflichtwidrig gehandelt zu haben.[432] Die Schadensursache und der schädigende Erfolg hingegen müssen vom Wissentlichkeitsbezug nicht erfasst sein.[433] Dies sind jedenfalls Auslegungen, die in der Literatur häufig vertreten werden. Ob diese mit dem Wortlaut und mit Sinn und Zweck der Regelung übereinstimmen (§§ 133, 157 BGB), kann an dieser Stelle nicht vertiefend erörtert werden.

Ausgeschlossen sind ferner sonstige wissentliche Pflichtverletzungen[434] (Ziff. 5.1 dritte Alternative) oder ähnliche vorzufindende Formulierungen,[435] etwa vorsätzliche Pflichtverletzungen,[436] teilweise alternativ, teilweise kumulativ.[437]

 

Rz. 161

Bisweilen wird behauptet, der Vorsatzausschluss – vgl. dazu Ziff. 5.1 des Modells des GDV – stehe "unangefochten mit Abstand an der Spitze".[438] Ich denke, dieser Ansatz wird weit überbewertet. Schauen wir uns Haftungsprozesse an, lässt sich feststellen, dass Zivilgerichte die ­Vorsatzfrage gerne offen lassen. Selbst wenn "anfänglich" im Rahmen des Haftungsprozesses vorsätzliches Handeln vorgetragen wird, verbleibt es – bei entsprechender zivilrechtlicher Verurteilung – im Regelfall bei der Feststellung, dass der Betroffene "zumindest fahrlässig" gehandelt hat. Für das Deckungsverfahren hilft dann diese Feststellung aus dem Haftpflichtprozess wenig. Insofern trifft den Versicherer im Deckungsprozess aber die Beweislast dahingehend, dass ein konkretes Organmitglied "vorsätzlich" o.ä. gehandelt hat. Gerade die Erfahrungen in jüngeren D&O-Verfahren hat gezeigt, dass bisweilen versucht wird, "vorsatzträchtige" Pflichtverletzungen, wie etwa die Auszahlung von Bestechungszahlungen im In- und/oder auch Ausland, die unter anderem von Angestellten eindeutig vorsätzlich verursacht worden sind, dann im Rahmen von Fahrlässigkeitsvorwürfen gegen die Organe geltend zu machen, die es – so der Vortrag der geschädigten Gesellschaften nicht selten – eben unterlassen haben, und zwar fahrlässig, ein hinreichend effizientes Compliance-System zu schaffen. Auch Staatsanwaltschaften eruieren bisweilen nicht abschließend, wenn Fahrlässigkeitsdelikte schon zur Festlegung von Strafen und/oder Bußen ausreichen.

Schon deshalb darf der Vorsatzausschlusstatbestand, so wie er auch in Ziff. 5.1 oder in verschiedenen D&O-Versicherungsverträgen mehr oder weniger abweichend verwandt wird, nicht überschätzt werden. Dann drängen sich zudem Fragen der Zurechnung des Ausschlusses auf andere versicherte Personen auf.

Diesem Aspekt wird im Modell (ab 2013 leicht modifiziert) begegnet in Ziff. 5.1 S. 2 wenn es heißt:

Zitat

"Den versicherten Personen werden die Handlungen und Unterlassungen nicht zugerechnet, die ohne ihr Wissen von anderen Organmitgliedern begangen wurden."

Insoweit ist im aktuellen GDV-Modell von 2013 (gegenüber dem Modell 2011, dort noch bezogen auf die Rückwärtsversicherung) vorgesehen, dass das Eingreifen des Ausschlusses in Ziff. 5.1 nur anhand der Handlungen oder Unterlassungen der jeweiligen versicherten Person, die Deckungsschutz konkret begehrt, beurteilt wird; Handlungen und Unterlassungen anderer versicherter Personen werden hingegen nicht berücksichtigt.

Auch insoweit aber finden sich in der Praxis zahlreiche Modifikationen gegenüber dem ­Modell.[439]

[424] Zu einem Vergleich, ob Vorsatz- oder Wissentlichkeitsklausel für den Versicherungsnehmer günstiger sind vgl. Penner, VersR 2005, 1359, 1361: These: Vorsatzklausel nicht günstiger; dazu auch Vothknecht, PHi 2006, 52, ...

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