Rz. 182

Soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist und es bei der "gesetzlichen" vorvertraglichen Anzeigepflicht i.S.d. § 19 VVG bleibt, ist der Versicherer bei einer Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG durch die Versicherungsnehmerin zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt (vgl. § 19 Abs. 2 und Einschränkungen dazu in den Abs. 2–4). Durch den Rücktritt verlieren alle Versicherten den Versicherungsschutz für später eintretende Versicherungsfälle. Allerdings bleibt es bei der Geltung des § 21 VVG:[479] Tritt der Versicherer also zurück, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, so bleibt seine Verpflichtung zur Leistung gleichwohl bestehen, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat (vgl. § 21 Abs. 2 VVG). Dem Versicherer stehen diese Rechte allerdings nur zu, wenn er seinen Hinweispflichten Genüge getan hat (§ 19 Abs. 5 VVG). Zur Beitragsänderung oder Kündigung, vgl. § 19 Abs. 6 VVG.

Abweichend von der gesetzlichen Regelung können die Versicherten durch vertragliche Regelungen auch zu "Adressaten" der vorvertraglichen Anzeigepflicht bestimmt werden. Sofern dies vertraglich vereinbart ist, ist § 47 VVG nach einer Auffassung in der Literatur[480] für die fortbestehende gesetzliche vorvertragliche Anzeigepflicht der Versicherungsnehmerin – im Rahmen eines "Kunstgriffes" – abbedungen. Selbst wenn die Abbedingung nicht für jeden Fall gilt, kommt es nicht zwangsläufig zu einer "Verdoppelung der Pflichten", so dass auch dann gegen die vertragliche Vereinbarung im Ergebnis Wirksamkeitsbedenken nicht durchgreifen. Es gelten dann die vertraglichen Regelungen, vgl. etwa 7.1.2 des Modells von 2007 oder 2008 und auch die Beitragsänderung oder das Kündigungsrecht nach Ziff. 7.1.3. Nicht anwendbar ist § 21 VVG allerdings bei Arglist:

 

Beispiel[481]

Der Vorstandsvorsitzende legte der Versicherung vor Vertragsschluss gefälschte Bilanzen vor; er wusste von Anfang an, dass die Bilanzen und Umsatzzahlen falsch waren. Täuscht der Vorstand bei Abschluss einer D&O-Versicherung den Versicherer dergestalt, dass der Versicherer den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, wird der Versicherer von der Leistung auch gegenüber versicherten Personen frei, die von der Täuschung nichts wussten.

[479] § 21 findet keine Anwendung bei Anfechtung wegen Arglist, so zu Recht Langheid/Goergen, VP 2007, 161, 164: Der Täuschende ist nicht schutzbedürftig; vgl. dazu zu den §§ 16, 22, 79 VVG a.F. auch OLG Düsseldorf VersR 2006, 785 ff. – Vorlage einer gefälschten Bilanz vor Vertragsschluss.
[480] Lange, VersR 2006, 605, 612.
[481] OLG Düsseldorf, VersR 2006, 785 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge