Rz. 4

Für eine Feststellungsklage besteht auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein Erbscheinsverfahren anhängig gemacht werden könnte oder wenn ein Erbschein bereits erteilt wurde.[1]

 

Rz. 5

Ob ein Rechtsstreit über die Feststellung eines Erbrechts wegen eines bereits anhängigen Erbscheinsverfahrens nach § 148 ZPO ausgesetzt werden kann, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Während das OLG München eine Aussetzung des Zivilprozesses wegen der möglichen Verwertung bereits erhobener Beweise im Erbscheinserteilungsverfahren für zweckmäßig erachtet,[2] stellt das OLG Stuttgart nicht bloß auf Zweckmäßigkeitserwägungen ab. Vorgreiflich seien nur Verfahren mit Präjudizwirkung.[3]

Umgekehrt gilt: Das Nachlassgericht kann das Erbscheinsverfahren nach § 21 FamFG aussetzen, wenn zwischen den Erbprätendenten ein Zivilrechtsstreit zur Feststellung des Erbrechts anhängig ist. Denn das Ergebnis eines Feststellungsrechtsstreits ist für ein Erbscheinsverfahren unter denselben Beteiligten vorgreiflich. Zudem dient die Aussetzung der Prozessökonomie und Harmonisierung der Entscheidungen in beiden Verfahren.[4]

 

Rz. 6

Die Aussetzung ist auch im Rechtsbeschwerdeverfahren zulässig, ohne dass es hierfür eines Antrags oder der Zustimmung der Beteiligten bedarf. Über eine Aussetzung des Erbscheinsverfahrens entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die durch die Aussetzung eintretende Verzögerung den Beteiligten zugemutet werden kann.[5]

Im Beschwerdeverfahren ist die Aussetzungsentscheidung nur auf Verfahrens- und Ermessensfehler zu überprüfen. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren über die Aussetzung ergeht nach §§ 80 ff. FamFG.[6] Das im Erbscheinserteilungsverfahren gewonnene Ergebnis bindet das Prozessgericht nicht.[7] Es kann deshalb zu einer anderslautenden Entscheidung kommen.[8]

 

Rz. 7

Zur Rechtswegerschöpfung im Sinne des Verfassungsbeschwerderechts: Solange ein Erbprätendent nicht sowohl das Erbscheinsverfahren als auch die Möglichkeit des Erbenfeststellungsprozesses durch alle in Betracht kommenden Instanzen verfolgt hat, kann eine Verfassungsbeschwerde gegen eine abschlägige gerichtliche Entscheidung nicht erhoben werden.[9]

[1] BGHZ 86, 41; BGH NJW 1983, 277.
[2] OLG München, Beschl. v. 11.11.1994 – 15 W 1752/94, Rn 18, ZEV 1995, 459.
[3] OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.12.1998 – 20 W 19/98, Rn 14, OLGR Stuttgart 1999, 134.
[4] Adam, ZEV 2016, 233.
[5] BayObLG NJW-RR 1999, 334, 335; OLG München FamRZ 2009, 547 = ZErb 2008, 387.
[7] BVerfG FamRZ 2007, 337 = NJW 2007, 1802 = ZEV 2007, 338; BGHZ 86, 41 = NJW 1983, 672 a.E.; BGH WM 1982, 1254.
[8] BGHZ 47, 58; OLG München NJW-RR 1995, 778, 779.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge