Rz. 85

Das ausländische Pflichtteilsrecht kann auch Auswirkungen auf die Erbengemeinschaft haben. Insbesondere dann, wenn das Pflichtteilsrecht nicht als schuldrechtlicher Ersatzanspruch (wie in Deutschland) ausgestaltet ist. Viele europäischen Länder, insbesondere jedoch diese Länder, die dem romanischen Rechtskreis angehören, verstehen das Pflichtteilsrecht als echte Beteiligung am Nachlass. Man spricht dort auch nicht vom Pflichtteilsrecht, sondern vom Not- oder gesetzlichem Pflichterbenrecht. Oftmals sieht dieser eine direkte Beteiligung am Nachlass in Form einer Mindesterbquote vor. Hat ein enterbter leiblicher Abkömmling die oftmals vorab durchzuführende Herabsetzungsklage mit Erfolg durchgeführt, so ist er (echter) Noterbe/Pflichterbe und nicht Berechtigter eines Zahlungsanspruchs. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Noterbe in einem deutschen Erbschein als Miterbe mit aufzuführen ist.[198]

Durch diesen Status wiederum rückt der enterbte leibliche Abkömmling in die bestehende Erbengemeinschaft mit ein. Dieses Ergebnis ist möglich, da es aus der rechtlichen Perspektive dieser Länder schlicht nicht vorstellbar ist, dass ein leiblicher Abkömmling des Erblassers nicht Erbe wird und damit auch nicht Mitglied der Erbengemeinschaft.

[198] Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, S. 3231 Rn 254, 255.

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