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Bei Verträgen über die Entwicklung von Software handelt es sich klassischerweise um Verträge, die zwischen Unternehmen geschlossen werden. Verbraucherschutzrechtliche Gestaltungsschranken bestehen daher in der Regel nicht. AGB-rechtlich besteht – wenn nicht ohnehin die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt werden – im Vergleich zum Verbrauchervertrag mehr Gestaltungsspielraum, da die §§ 308 und 309 BGB gem. § 310 Abs. 1 BGB nur als Auslegungsmaßstäbe Anwendung finden.[3]

Wird ein klassisches Projektvorgehensmodell (z.B. das sog. Wasserfallmodell oder das V-Modell) gewählt, fasst der Vertrag regelmäßig verschiedene Vertragsphasen zusammen (Planung, Erstellung, Installation sowie Einweisung und Schulung). Die Planungsphase kann dienst- oder werkvertraglich ausgestaltet sein. Ersteres ist – bei Schwierigkeiten der Abgrenzung im Einzelfall – der Fall, wenn eine tätigkeitsorientierte Übernahme von Planungsleistungen im Vordergrund steht, Letzteres, wenn ein bestimmter Erfolg geschuldet wird.[4] Dabei kann es unter Umständen im Hinblick auf die Möglichkeit des Auftraggebers, während der gesamten Planungsphase Einfluss auf strategische Entscheidungen zu nehmen, interessant sein, die Planungsphase eher dienstvertraglich auszugestalten.[5] Bei werkvertraglicher Ausgestaltung ist aus Sicht des Kunden darauf zu achten, dass das Ergebnis der Planungsphase die Pflichten der nachfolgenden Erstellungsphase nicht zu weitgehend verengt, etwa durch ausschließliche Beschränkung auf ein vom Kunden abzunehmendes Feinkonzept.

Wird hingegen, wie heutzutage in der Regel, ein agiles Projektvorgehensmodell oder eine Mischform gewählt, sollte der Vertrag dieses entsprechend dem tatsächlich geplanten Vorgehen abbilden: Wie wird geplant und festgelegt, was entwickelt wird? In welchen Etappen und nach welchen Regeln wird entwickelt und getestet? Welche Partei ist im Prozess für welche Aspekte der Entwicklung verantwortlich? Was hat zu geschehen, wenn das Entwicklungsprojekt funktional-technisch, zeitlich oder finanziell in Schieflage gerät? Mit Verträgen, die sich strukturell und sprachlich zu sehr an den klassischen Softwareentwicklungsverträgen orientieren (Erstellung des Pflichtenhefts → Umsetzung des Pflichtenhefts → (Gesamt-)Funktionsprüfung mit anschließender (Gesamt-)Abnahme der entwickelten Software), lassen sich in der Praxis die Streitfälle, die in agilen Entwicklungsprojekten typischerweise entstehen, meist überhaupt nicht sinnvoll lösen.

Bei der anschließenden Erstellung und Überlassung von Individualsoftware ist in beiden Fällen – bei klassischen wie auch agilen Vorgehensmodellen – umstritten, ob die werkvertraglichen Regeln anzuwenden sind. Bei klassischen Vorgehensmodellen dreht sich der Streit regelmäßig um die Frage, ob über § 650 BGB im Wesentlichen Kaufvertragsrecht Anwendung findet. Nach vorzugswürdiger Ansicht findet auf die Erstellung von Individualsoftware Werkvertragsrecht Anwendung, da im Vordergrund weniger die Lieferung des körperlichen Substrats, welches dem Erwerber ausgehändigt wird, steht, sondern vielmehr der kreative Akt der Schaffung des Werkes.[6] Bei agilen Vorgehensmodellen werden sich die Parteien eher darüber auseinandersetzen zu haben, ob Dienstvertragsrecht oder Werkvertragsrecht Anwendung finden soll.[7] Auch hier wird trotz des (jedenfalls anfänglichen) Fehlens der für den typischen Werkvertrag üblichen Spezifikation und Festlegung des zu erstellenden Werks in der Mehrzahl der Fälle Werkvertragsrecht zur Anwendung kommen.[8] Denn auch bei der agilen Softwareentwicklung wird der Auftragnehmer am Erfolg der Entwicklung gemessen werden – Erfolg zwar ggf. nicht im Sinne einer aus der Perspektive des Zeitpunkts des Vertragsschlusses messbaren Quantität, wohl aber hinsichtlich der funktionalen und technischen Qualität der entwickelten Software, der Übergabe der vereinbarten Dokumentation etc.

Da sich die Gewährleistungsregeln zwischen Kauf- und Werkvertrag erheblich unterscheiden und das Dienstvertragsrecht überhaupt keine Gewährleistung vorsieht, sollte im Hinblick auf die Unklarheiten der vertragsrechtlichen Einordnung besonderes Augenmerk auf eine aktive Regelung der Gewährleistungsrechte bzw. von Gewährleistungsrechten des Auftraggebers gelegt werden. Während der Auftraggeber regelmäßig ein großes Interesse daran haben wird, umfassende Gewährleistungsrechte gegenüber dem Auftragnehmer zu haben, wird dem Auftragnehmer daran gelegen sein, diese möglichst zu minimieren.

Neben den sogleich aufgeführten Umständen, die bei der Vertragsgestaltung bedacht werden müssen, sollten darüber hinaus auch die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die spätere Verwendung der Software bedacht und im Vertrag festgelegt werden. So kann ein Abweichen von der Sollbeschaffenheit hinsichtlich datenschutzrechtlicher Anforderungen später als Mangel im Rahmen der Gewährleistung gerügt werden.[9]

[3] Die Wertungen der §§ 308 und 309 BGB finden den Weg in die Auslegung von § 307 Abs. 1 und 2 BGB, weshalb der Blick auc...

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