1. Erbfälle bis zum 16.8.2015

a) Maßgebliche Kollisionsnorm: Art. 25 EGBGB a.F.

aa) Staatsangehörigkeitsprinzip

 

Rz. 8

Soweit für die Frage, welches Erbrecht zur Anwendung gelangt, staatsvertragliche Regelungen fehlen, war nach Art. 25 EGBGB a.F. vorzugehen.

 

Art. 25 EGBGB a.F.

(1) Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte.

(2) Der Erblasser kann für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen in der Form einer Verfügung von Todes wegen deutsches Recht wählen.

Das anwendbare materielle Recht richtete sich nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Das Personalstatut bestimmte sich nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 EGBGB. Insoweit erfolgt bei Ausländern eine Verweisung auf fremdes Recht.

bb) Doppelte Staatsangehörigkeit

 

Rz. 9

Probleme ergaben sich bei Doppel- und Mehrstaatern. Gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB war dann auf die effektive Staatsangehörigkeit abzustellen. Dabei war aber zu beachten, dass deutsches Recht immer dann zur Anwendung gelangte, wenn die Person "auch Deutscher" ist, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Diese Regelung führte zu einem sog. "Heimwärtsstreben", was zur Konsequenz haben kann, dass international widersprechende Entscheidungen ergehen.

b) Gesamtverweisung

 

Rz. 10

Bei der Verweisung nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. war aber zu beachten, dass es sich insoweit um eine sog. Gesamtverweisung (= IPR-Verweisung) handelte, Art. 4 Abs. 1 EGBGB.

 

Art. 4 EGBGB Verweisung

(1) Wird auf das Recht eines anderen Staates verwiesen, so ist auch dessen Internationales Privatrecht anzuwenden, sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht. Verweist das Recht des anderen Staates auf deutsches Recht zurück, so sind die deutschen Sachvorschriften anzuwenden.

(2) Verweisungen auf Sachvorschriften beziehen sich auf die Rechtsnormen der maßgebenden Rechtsordnung unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts. Soweit die Parteien das Recht eines Staates wählen können, können sie nur auf die Sachvorschriften verweisen.

(3) Wird auf das Recht eines Staates mit mehreren Teilrechtsordnungen verwiesen, ohne die maßgebende zu bezeichnen, so bestimmt das Recht dieses Staates, welche Teilrechtsordnung anzuwenden ist. Fehlt eine solche Regelung, so ist die Teilrechtsordnung anzuwenden, mit welcher der Sachverhalt am engsten verbunden ist.

Es musste also geprüft werden, ob das Recht des Staates, auf das verwiesen wird, die Verweisung annimmt oder ob aufgrund einer anderweitigen Anknüpfung eine Rück- oder Weiterverweisung stattfindet.[8]

So ist z.B. nach dem dänischen oder norwegischen IPR der Wohnsitz des Erblassers für das anwendbare Recht maßgeblich,[9] d.h. wenn der Erblasser sich zuletzt in Deutschland aufgehalten hatte, gilt dann doch deutsches Erbrecht. Die Rückverweisung wird angenommen, Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB.

Eine Rückverweisung fand ferner in den Fällen statt, in denen eine Rechtsordnung bestimmt, dass unbeweglicher Nachlass sich nach dem Recht des Belegenheitsstaates vererbt.

[8] Vgl. Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 615.
[9] Ring/Olsen-Ring, Einführung in das skandinavische Recht, Rn 945.

c) Sonderstatut

 

Rz. 11

Noch komplizierter war die Angelegenheit, wenn sich Nachlassgegenstände in einem anderen Staat befinden und sie nach dem Recht dieses Staates besonderen Vorschriften unterliegen, Art. 3a Abs. 2 EGBGB a.F.

 

Art. 3a EGBGB a.F. Sachnormverweisung; Einzelstatut

...

(2) Soweit Verweisungen im Dritten und Vierten Abschnitt das Vermögen einer Person dem Recht eines Staates unterstellen, beziehen sie sich nicht auf Gegenstände, die sich nicht in diesem Staat befinden und nach dem Recht des Staates, in dem sie sich befinden, besonderen Vorschriften unterliegen.

 

Beispiel

Ein Deutscher besaß ein Grundstück in Frankreich. Anwendbares Erbrecht war zwar grundsätzlich das Heimatrecht des Erblassers, also deutsches Recht. Da aber das französische Recht die Vererbung von Immobilien, die sich in Frankreich befinden, dem Recht des Lageorts unterwarf, kam es zur Nachlassspaltung, d.h. ein Teil des Vermögens wurde nach deutschem, der französische Grundbesitz nach französischem Recht vererbt.

 

Rz. 12

Das Einzelstatut des Art. 3a Abs. 2 EGBGB a.F. "brach" das Gesamtstatut des Art. 25 EGBGB a.F. Praktisch bedeutsam waren neben den Fällen mit Grundbesitz in Frankreich auch Fälle im Zusammenhang mit Immobilien in Rumänien. Nach dem rumänischen IPR-Gesetz war für unbewegliche Sachen eine Sonderanknüpfung, die sich nach dem Recht des Belegenheitsstaates richtet, vorzunehmen.

BayObLG FamRZ 1997, 318:

Zitat

Gehört ein in Rumänien belegenes Grundstück zum Nachlass eines deutschen Erblassers, so besteht insoweit keine internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts. Im Erbschein ist zu vermerken, dass er sich nicht auf den in Rumänien belegenen unbeweglichen Nachlass erstreckt.

d) Rechtswahl

aa) Zulässigkeitsschranken

 

Rz. 13

Durch letztwillige Verfügung konnte nur sehr wenig Einfluss auf das anwendbare Recht ausgeübt werden.[10] Der Erblasser konnte lediglich für

im Inland belegenes
unbewegliches Vermögen
deutsches Recht wählen,

Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F.

Dagegen war die Wahl eines ausländischen Rechts generell ausgeschlossen. Wurde gleichwohl eine Rechtswahl vorgen...

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