Rz. 101

Sachverhalt nach BGH v. 21.1.1991 – II ZR 49/90, NJW-RR 1991, 1211:

Muster 24.6: Antrag auf Anhörung eines ausländischen Gutachters

 

Muster 24.6: Antrag auf Anhörung eines ausländischen Gutachters

An das

Oberlandesgericht

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In Sachen Müller ./. Meier

Az. 5 U 2745/22

Für den Kläger trage ich noch Folgendes vor:

Es wird nochmals beantragt, die Sachverständige Frau Prof. Dr. Marquez zum Inhalt des venezolanischen Rechts zu vernehmen.

Allein das Gutachten des Max-Planck-Instituts ist nicht ausreichend, um das venezolanische Recht zu ermitteln. Das Gericht genügt mit der im Regelfall zur Ermittlung ausländischen Rechts hinreichenden Einholung des Gutachtens eines mit dem fremden Recht vertrauten wissenschaftlichen Instituts dann nicht seiner aus § 293 ZPO folgenden Erforschungspflicht, wenn es entscheidend auf die ausländische Rechtspraxis ankommt und der Gutachter nicht über spezielle Kenntnisse derselben verfügt, vielmehr allein auf die Auswertung der ihm zugänglichen Literatur angewiesen ist. Auf das Gutachten des Max-Planck-Instituts kann es sich bei der Klärung dieser Frage nicht stützen. Der Verfasser desselben hat nämlich bei seiner Anhörung selbst angegeben, erstmals einen Fall aus dem venezolanischen Recht begutachtet zu haben und über keinerlei spezielle Kenntnisse dieses Rechts und vor allem der dort bestehenden Rechtspraxis zu verfügen. Danach hat er sich letztlich auf die Auswertung der ihm zugänglichen Literatur und die Auslegung der einschlägigen Gesetze beschränkt. Das reicht für die Ermittlung des ausländischen Rechts nicht aus. Denn das Gericht, das der Gutachter bei der Ermittlung des ausländischen Rechts unterstützen soll, darf sich nicht auf die naturgemäß an seinem eigenen Rechtsdenken orientierte Auslegung ausländischer Normen beschränken; es ist vielmehr gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelt hat und in der Praxis Anwendung findet (vgl. BGH NJW-RR 1981, 1211; Zöller/Geimer, ZPO, § 293 Rn 20). Hier gewinnt neben dem Schweigen des Gesetzes und dem Fehlen einschlägiger Rechtsprechung besondere Bedeutung, dass sich aus dem vom Kläger vorgelegten Privatgutachten von Frau Prof. Dr. Marquez und der ihm beigefügten venezolanischen Literatur Hinweise darauf ergeben, dass selbst in der Rechtslehre und Rechtspraxis in Venezuela große Unsicherheit darüber bestehen hat, ob diese "prendas navales" internationale Anerkennung fänden und wie sie zu handhaben seien.

Das Gericht hat selbst eingeräumt, dass zu der Rangfrage bei mehrfacher Verpfändung in Venezuela Verwirrung und Unklarheit besteht und diese zu einer Konfusion der Registerbeamten geführt hat. Insoweit muss es die weiteren ihm aufgezeigten Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen. Es darf nicht seine abstrakte Auslegung des ausländischen Rechts durch die von ihm festgestellten Eintragungen in einzelnen Hafenregistern bestätigt sehen. Vielmehr ist es gehalten, der Frage nachzugehen, ob nicht diese Eintragungen gerade Folge der genannten Unsicherheit und Verwirrung der Registerbeamten waren und ob sie überhaupt in Venezuela rechtlich anerkannt wurden. Es liegt auf der Hand, dass z.B. die mit der venezolanischen Lehre und Rechtspraxis vertrauten Professoren der Zentraluniversität in Caracas eher als der Gutachter des Max-Planck-Instituts über die Spezialkenntnisse und Erkenntnisquellen verfügen, die erforderlich sind, um den Anwendungsbereich und die Tragweite eines der klaren positiv-rechtlichen Regelung entbehrenden venezolanischen Rechtsinstituts zu ermessen.

Bei sachgerechter Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens muss das Gericht nach alledem im Hinblick auf die Besonderheiten des Falles nicht nur ein Obergutachten einholen, sondern auch die von dem Kläger zum Termin gestellte venezolanische Professorin Dr. Marquez vernehmen. Diese Vernehmung vermittelt dem Gericht zusätzliche Erkenntnisse über die einschlägige Rechtspraxis in Venezuela.

(Rechtsanwalt)

 

Rz. 102

Eventuell sind Rechtsauskünfte ausländischer Behörden einzuholen. Eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung ergibt sich ggf. aus dem Londoner Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.1968.[135] Dieses Übereinkommen gilt z.B. im Verhältnis zu Österreich, Frankreich, Italien und Spanien. Kann das ausländische Recht nicht ermittelt werden, hat eine Ersatzanknüpfung zu erfolgen. Dabei ist zunächst auf "verwandte Rechtsordnungen" abzustellen. Führt auch dies zu keinem Ergebnis, ist nach h.M. als ultima ratio eigenes Recht anzuwenden.[136]

[135] Abgedr. bei Jayme/Hausmann, Nr. 200.

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