Rz. 38

Nach der Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bestimmt sich die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Recht desjenigen Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Anders als früher wird somit nicht mehr an die Staatsangehörigkeit angeknüpft. Eine Definition des Begriffs des "letzten gewöhnlichen Aufenthalts" findet sich in der EuErbVO nicht, so dass die Ausgestaltung der Rechtsprechung und Lehre, allen voran dem EuGH, vorbehalten bleibt.

Streitig ist derzeit, ob der Begriff einheitlich, für alle europäischen Rechtsakte gleichermaßen,[54] auszulegen ist oder ob eine nach den jeweiligen Rechtsmaterien differenzierende Auslegung vorzunehmen ist.[55] Richtigerweise ist wohl jedenfalls innerhalb der EuErbVO eine einheitliche Auslegung vorzunehmen.[56]

 

Rz. 39

Zur genaueren Bestimmung des Begriffs "letzter gewöhnlicher Aufenthalt" lassen sich die Erwägungsgründe der EuErbVO heranziehen. Darin heißt es:

Zitat

(23) In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege in der Union und einer wirklichen Verbindung zwischen dem Nachlass und dem Mitgliedstaat, in dem die Erbsache abgewickelt wird, als allgemeinen Anknüpfungspunkt zum Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes vorsehen. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.

(24) In einigen Fällen kann es sich als komplex erweisen, den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat. In diesem Fall könnte – entsprechend den jeweiligen Umständen – davon ausgegangen werden, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.

(25) In Bezug auf die Bestimmung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts kann die mit der Erbsache befasste Behörde in Ausnahmefällen – in denen der Erblasser beispielsweise erst kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts umgezogen ist und sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass er eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte – zu dem Schluss gelangen, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers unterliegt, sondern dem Recht des Staates, zu dem der Erblasser offensichtlich eine engere Verbindung hatte. Die offensichtlich engste Verbindung sollte jedoch nicht als subsidiärer Anknüpfungspunkt gebraucht werden, wenn sich die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes als schwierig erweist.

Diskutiert werden derzeit

Auslandsstudium,
Strafhaft,
mehrjähriger Auslandsaufenthalt mit Rückkehrabsicht,
Aufenthalt in Pflege- oder Altenheimen,
"Mallorca-Rentner".
 

Rz. 40

KG, Beschl. v. 26.4.2016 – 1 AR 8/16:[57] Letzter gewöhnlicher Aufenthalt eines nach Inkrafttreten der EuErbVO verstorbenen Grenzpendlers

Zitat

Bei sogenannten Grenzpendlern (hier: zwischen Deutschland und Polen) bestimmt sich die internationale Zuständigkeit in Erbsachen ab dem 17.8.2015 nach Art. 4 ff. EuErbVO und damit grds. nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Letzterer ist unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der persönlichen familiären Eingliederung des Erblassers in den (Aufenthalts-)Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO zu bestimmen. Dies kann dazu führen, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines bejahrt...

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