Rz. 119

Für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage kann der zwischen der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum relevant sein[298] und eine Fahrtenbuchauflage kann dann als Mittel der Gefahrenabwehr nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig anzusehen sein. Welche Fristen hierfür in Erwägung zu ziehen sind, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Dabei sind etwa die Dauer der notwendigen Ermittlungen, die Geschäftsbelastung der betroffenen Behörde und das Verhalten des Fahrzeughalters zu berücksichtigen.[299] Da bei der Berechnung des Zeitraums diejenigen Zeiten außer Acht bleiben, in denen der Fahrzeughalter etwa die sich aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft und dadurch selbst Anlass zu einer Verzögerung des Erlasses der Fahrtenbuchauflage bietet,[300] ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzustellen. Eine zwischen der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und dem Erlass des angefochtenen Bescheids verstrichene Zeit von 12 1/2 Monaten, kann dabei nach NdsOVG (noch) nicht als derart erheblich angesehen werden, dass sich schon deswegen die erlassene Fahrtenbuchauflage als unverhältnismäßig darstellte.[301] Dies gilt insbesondere auch dann, wenn Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrtenbuchanordnung zwischenzeitlich funktionslos geworden sein sollte oder eine Verwirkung vorliegen könnte, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.[302] Ein Zeitraum von mehr als 21 Monaten, der nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens bis zum Erlass einer Fahrtenbuchanordnung vergangen ist, übersteigt allerdings die Zeitspanne, bei der die Anordnung noch als verhältnismäßig angesehen werden kann, wenn keine besonderen Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise eine andere Betrachtung gebieten.[303]

 

Rz. 120

Liegen zwischen Verkehrsverstoß und Berufungsverhandlung fast 3 ½ Jahre, so wird die Fahrtenbuchauflage nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, da es der Betroffene sonst durch Rechtsmittel selbst in der Hand hätte, die Rechtmäßigkeit der Anordnung zu beseitigen.[304] Auch der Verzicht auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung macht nicht die Fahrtenbuchauflage selbst rechtswidrig.[305]

 

Rz. 121

Ist vom Zeitpunkt des ungeahndet gebliebenen Verkehrsverstoßes bis zum Erlass der Fahrtenbuchanordnung knapp ein Jahr vergangen, so ist das überwiegende Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage nicht zu verneinen. Ziel der Anordnung ist es ja zu verhindern, dass mit dem betroffenen Fahrzeug weiterhin gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wird, ohne dass auf den Fahrer zugegriffen werden kann.[306]

[298] Vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91, zfs 1992, 286; NdsOVG, Urt. v. 8.7.2014 – 12 LB 76/14.
[299] BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91, zfs 1992, 286; juris Rn 3; NdsOVG, Urt. v. 8.7.2014 – 12 LB 76/14.
[300] Vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1995 – 11 C 3.94, NZV 1995, 370, juris Rn 9; BVerwG, Beschl. v. 12.7.1995 – 11 B 18.95, zfs 1995, 477 = NJW 1995, 3402; juris Rn 3; NdsOVG, Urt. v. 8.7.2014 – 12 LB 76/14; NdsOVG Beschl. v. 14.1.2013 – 12 LA 299/11, m.w.N.
[301] NdsOVG, Urt. v. 8.7.2014 – 12 LB 76/14; vgl. auch NdsOVG, Urt. v. 23.1.2014 – 12 LB 19/13, NJW 2014, 1610, das einen Zeitraum von ca. 18 Monaten zwischen Verfahrenseinstellung und Fahrtenbuchauflage betraf.
[302] NdsOVG, Urt. v. 8.7.2014 – 12 LB 76/14.
[303] VG Freiburg, Beschl. v. 10.6.2015 – 4 K 1025/15, Der Verkehrsanwalt 2015, 227, u.a. unter Hinweis auch auf NdsOVG, Urt. v. 8.7.2014 – 12 LB 76/14.
[304] BVerwG zfs 1995, 477.
[305] BVerwG zfs 1995, 477; vgl. auch BVerwG, zfs 1992, 286.
[306] OVG NRW zfs 2006, 2 – Ls.

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