Rz. 2

Kein "doppeltes Recht", einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage "verschont" zu bleiben

Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die an den Fahrzeughalter als den Inhaber der Verfügungsbefugnis über das Fahrzeug gerichtete Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Damit soll dafür Sorge getragen werden, dass künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach seiner Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist.[8] Nach dem Zweck des § 31a StVZO sollen nicht der Umgang mit einem bestimmten Fahrzeug, sondern die Beachtung der einem Kfz-Halter obliegenden Aufsichtspflicht über die von ihm in Verkehr gebrachten Fahrzeuge sichergestellt werden.[9] Der Fahrtenbuchanordnung kommt eine präventive und keine strafende Funktion zu.[10] Sie ist nur gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, der abstrakten, in der Risikosphäre des Fahrzeughalters liegenden Gefahr zu begegnen, dass künftig mit einem auf ihn zugelassenen Kfz unaufklärbar bleibende Verkehrsverstöße begangen werden.[11] Auf eine konkrete Wiederholungsgefahr kommt es nicht an. Das Führen eines Fahrtenbuchs will auch positiv auf die Verkehrsdisziplin des Fahrzeugführers einwirken.[12]

 

Rz. 3

Einem Fahrzeughalter kann nach diesen Grundsätzen die Führung eines Fahrtenbuchs nur dann auferlegt werden, wenn der Fahrzeugführer selbst gegen Verkehrsvorschriften verstößt.[13] Das VG Mainz als Vorinstanz hatte dagegen die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung auch dann angenommen, wenn der Verkehrsverstoß vom Beifahrer seines Fahrzeugs begangen wurde.[14] ,[15]

 

Rz. 4

Gegenstand und tatbestandliche Voraussetzungen im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren einerseits und bei der Fahrtenbuchauflage andererseits unterscheiden sich grundlegend.[16] So ist der Halter eines Kfz, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, rechtlich nicht gehindert, im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren von einem etwaigen Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Macht er von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch, so muss er dennoch mit einer Fahrtenbuchauflage rechnen. Insofern besteht kein "doppeltes Recht" einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage "verschont" zu bleiben.[17] Die Fahrtenbuchanordnung ist ein selbstständiges verwaltungsbehördliches Verfahren und nicht etwa Annex des Bußgeldverfahrens. Die für das Bußgeldverfahren geltenden Belehrungs- und Hinweispflichten erstrecken sich damit nicht mehr auf ein anschließendes verwaltungsbehördliches Verfahren zur Anordnung eines Fahrtenbuchs. Diese unterliegt verwaltungsrechtlichen Regelungen und insbesondere dem jeweils einschlägigen Landesverwaltungsverfahrensgesetz.[18]

 

Rz. 5

Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, soll auf die dem Fahrzeugführer mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kfz hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde. Sie soll den Halter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, wenn er geltend macht, den Fahrzeugführer nicht zu kennen.[19]

 

Rz. 6

Die Aussageverweigerungsrechte schützen den Täter vor einer Verfolgung aufgrund des Straf- und/oder Ordnungswidrigkeitenrechts. Sie schützen ihn aber nicht vor Maßnahmen der Gefahrenabwehr, zu denen auch die Fahrtenbuchanordnung gehört. Hier geht es allein darum, dass er – vor dem Hintergrund der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs – durch seine fehlende Mitwirkung bei der Fahrerfeststellung das Risiko einer für ihn ungünstigen Tatsachenwürdigung zu tragen hat. Mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuches bleibt das Recht des Betroffenen gewahrt, sich selbst nicht bezichtigen zu müssen.[20] Im Übrigen ist dem Verwaltungsverfahrensrecht, dem die Fahrtenbuchanordnung unterworfen ist,[21] ein generelles Aussageverweigerungsrecht unbekannt. Statuiert sind allerdings Mitwirkungspflichten des Beteiligten, die bei Nichtbeachtung negative Folgen nach sich ziehen können. Vor dem Hintergrund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und insbesondere im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes müssen derartige Fälle dann aber (spezial-)gesetzlich geregelt sein.

 

Rz. 7

Dem im repressiven Straf-/Ordnungswidrigkeitenrecht verankerten Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht werden im präventiven Gefahrenabwehrrecht rechtsstaatlich orientierte tatbestandliche Eingriffsvoraussetzungen gegenübergesetzt. Dem genügt auch § 31a StVZO.[22]

 

Rz. 8

Das Zeugnis-/Aussageverweigerungsrecht (§ 46 OWiG, §§ 52 ff., 136 StPO) schützt den betroffenen Kraftfahrer dementsprechend nicht vor einer Fahrtenbuchanordnung.[23]

[8] St. Rspr., vgl. BVerwG Urt. v. 28.5.2015 – 3 C 13.14, zfs 2015, 594, 595; BVerwG zfs 1995,...

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