I. Begriff

 

Rz. 256

Die Einziehung des Erbscheins hat Vorrang vor der Kraftloserklärung. Eine Kraftloserklärung des Erbscheins kommt dann in Betracht, wenn nicht alle Ausfertigungen des unrichtigen Erbscheins zu den Akten gelangen können, § 2361 Abs. 2 BGB. Wenn von vornherein feststeht, dass die Ausfertigungen nicht zurückgeholt werden können, ist sofort die Kraftloserklärung durchzuführen. Ergibt sich im Laufe des Einziehungsverfahrens, dass nicht alle Ausfertigungen zu den Akten gelangen können, ist zu diesem Zeitpunkt die Kraftloserklärung auszusprechen. Mit der wirksam gewordenen Kraftloserklärung wird der Erbschein wirkungslos.

 

Rz. 257

 

Hinweis

Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte auf der Rückgabe aller Ausfertigungen bestanden werden.

II. Verfahren

 

Rz. 258

Auch hier gilt das Amtsermittlungsverfahren nach § 26 FamFG.

Der Beschluss über die Kraftloserklärung ist öffentlich bekannt zu machen durch Anheftung an die Gerichtstafel des Nachlassgerichts, durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger und daneben ggf. durch Veröffentlichung in örtlichen Zeitungen, § 186 ZPO.

Die Wirksamkeit des Beschlusses tritt ein mit Ablauf eines Monats nach der letzten erforderlichen Veröffentlichung. Mit Fristablauf wird der Beschluss wirksam und der Erbschein kraftlos, auch wenn sich weitere Ausfertigungen im Umlauf befinden, § 2361 BGB, § 353 FamFG.

III. Beschwerde bei Einziehung und Kraftloserklärung

1. Beschwerde gegen Zurückweisung der Einziehung oder Kraftloserklärung

 

Rz. 259

Gegen den ablehnenden Beschluss findet sofortige Beschwerde und ggf. Rechtsbeschwerde statt nach den §§ 58 ff., 70 ff. FamFG.

 

Rz. 260

Da es sich um ein Amtsverfahren handelt, gilt für die Beschwerdeberechtigung § 59 FamFG. Beschwerdeberechtigt ist jeder, dessen Rechtsstellung im Erbschein nicht richtig angegeben ist.

 

Rz. 261

Das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht weist bei Begründetheit der Beschwerde das Nachlassgericht an, den Erbschein einzuziehen bzw. für kraftlos zu erklären. Auch hier kann das Oberlandesgericht keine eigene Sachentscheidung treffen, weil das Nachlassgericht funktionell allein zuständig ist (§ 2361 BGB – Parallelfall wie bei der Erteilung des Erbscheins, siehe Rdn 202).

2. Beschwerde gegen Anordnung der Einziehung oder Kraftloserklärung

 

Rz. 262

Gegen den Beschluss über die Einziehung des Erbscheins sind die sofortige Beschwerde und ggf. die Rechtsbeschwerde statthaft mit dem Ziel, dass der Einziehungsbeschluss aufgehoben wird.

 

Rz. 263

Beschwerdeberechtigt ist gem. § 59 FamFG jeder, der am Fortbestand des Erbscheins ein rechtliches Interesse hat, also jeder Antragsberechtigte für einen gleichlautenden Erbschein, auch wenn er den eingezogenen Erbschein nicht selbst beantragt hatte.[203]

 

Rz. 264

Voraussetzung ist jedoch, dass der Erbschein noch nicht eingezogen wurde, weil ein bereits eingezogener Erbschein kraft Gesetzes kraftlos ist, § 2361 S. 2 BGB. In diesem Fall kann der Beschwerdeführer mit der Beschwerde vom Beschwerdegericht verlangen, dass es das Nachlassgericht anweist, einen Erbschein zu erteilen, dessen Inhalt identisch mit dem eingezogenen ist.[204]

 

Rz. 265

Gleiches gilt bei einem für kraftlos erklärten Erbschein: Ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Kraftloserklärungsbeschlusses ist eine Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung des Beschlusses nicht mehr statthaft, § 353 Abs. 3 FamFG. Allerdings kann Beschwerde mit dem Ziel erhoben werden, dass der gleichlautende Erbschein neu erteilt werde.[205]

[203] BGH, Beschl. v. 19.6.1959 – V ZB 19/58, BGHZ 30, 220.
[204] Keidel/Zimmermann, FamFG, § 353 Rn 20.
[205] Palandt/Weidlich, § 2361 Rn 13.

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