Rz. 247

Materielle Unrichtigkeit liegt vor, wenn die materielle Rechtslage einerseits und das im Erbschein bezeugte Erbrecht andererseits nicht übereinstimmen. Beispiele hierfür sind der Erbschein des Vorerben nach Eintritt des Nacherbfalls oder das Auffinden eines Testaments, das die Erbfolge anders regelt, als sie im Erbschein genannt ist.

 

Rz. 248

Eine zur Einziehung verpflichtende Unrichtigkeit eines Erbscheins gem. § 2361 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind. Die für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen sind grundsätzlich dann als nicht mehr festgestellt zu erachten, wenn die Überzeugung des Gerichtes von der Richtigkeit des Erbscheins über einen bloßen Zweifel hinaus erschüttert ist.[199]

 

Rz. 249

 

Formulierungsbeispiel: Antrag auf Einziehung eines Erbscheins

An das

Amtsgericht

– Nachlassgericht –

(…)

zu Az. (…)

In der Nachlasssache des am (…) verstorbenen Herrn (…) beantrage ich unter Beifügung einer schriftlichen Vollmacht namens des von mir vertretenen Herrn (…), den vom Nachlassgericht (…) am (…) unter Aktenzeichen (…) erteilten Erbschein wegen nachträglich eingetretener Unrichtigkeit einzuziehen und alle erteilten Ausfertigungen zu den Akten zu nehmen.

Begründung:

In oben genannter Nachlasssache hat das Nachlassgericht einen Erbschein erteilt, wonach die Witwe des Erblassers alleinige befreite Vorerbin wurde und die Kinder, Frau (…) und Herr (…), – Letzterer ist der Antragsteller im vorliegenden Verfahren – Nacherben je zur Hälfte.

Der Nacherbfall sollte mit der Wiederverheiratung der Witwe, spätestens jedoch mit ihrem Tod, eintreten. Die Witwe, Frau (…), hat sich am (…) wiederverheiratet. Es wird gebeten, ihr aufzugeben, die Heiratsurkunde vorzulegen.

Da der Erbschein damit unrichtig geworden ist, ist er gem. § 2361 BGB nicht nur auf Antrag, sondern von Amts wegen einzuziehen.

Der Erbschein war erteilt worden auf der Grundlage des eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments, das vom Erblasser und seiner späteren Witwe formgültig errichtet worden war.

Der Antragsteller hat keine Ausfertigung des Erbscheins in Händen, sondern lediglich eine unbeglaubigte Fotokopie.

Die Nacherben haben mit gesondertem Schriftsatz die Erteilung eines neuen, der jetzigen Rechtslage entsprechenden Erbscheins beantragt.

(Rechtsanwalt)

[199] LG Berlin, Beschl. v. 17.4.2008 – 83 T 50/07, Rn 17, ZErb 2008, 326.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge