Rz. 54

Die große Besonderheit der Gütergemeinschaft ist das Entstehen von verschiedenen Vermögensmassen, einem gemeinschaftlichen Vermögen sowie das jeweilige Sondervermögen oder Vorbehaltsgut der Ehegatten. Die Pflichtteilsquote der Abkömmlinge wird erhöht.[66] Neben dem Nachteil der Haftungsgemeinschaft der Ehegatten kommt somit ein weiterer erbrechtlicher hinzu. Dieser kann jedoch durch den möglichen Vorteil der pflichtteilsergänzungsfesten Übertragung von Vermögen an den Ehegatten, die durch die Vereinbarung der Gütergemeinschaft erfolgt, kompensiert werden.

[66] Bei der Gütergemeinschaft beträgt die Quote des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten nach § 1931 Abs. 1 BGB ¼, die Quote für sämtliche Kinder ¾. Das führt zu einer Pflichtteilsquote von ⅜ für sämtliche Kinder. Bei der Zugewinngemeinschaft beträgt die Quote für sämtliche Kinder neben dem Ehegatten ¼ (also 2/8); bei der Gütertrennung, wenn der Erblasser ein Kind hinterlässt, ebenfalls 2/8, bei zwei Kindern 2/6.

1. Abwägung der Vor- und Nachteile

 

Rz. 55

Die Möglichkeit einer pflichtteilsfesten Übertragung klingt zwar verlockend, ist aber auch mit großen Gefahren verbunden. Stirbt der Ehegatte mit dem zuvor geringeren Vermögen, erbt der überlebende Ehegatte den so übertragenden Teil wieder zurück. Es liegt auf der Hand, dass gerade in den Fällen der Patchwork-Familie, also nicht gemeinsamer Abkömmlinge, so Pflichtteilsansprüche in die Höhe schnellen können.

 

Praxishinweis

Bei der Vereinbarung der Gütergemeinschaft durch Ehevertrag ist insb. in den Fällen nicht gemeinsamer Abkömmlinge immer eine Vergleichsberechnung durchzuführen, ob die Vorteile einer nachlassfreien Hälfte aufgrund der Entstehung von Gesamtgut nicht durch die Nachteile einer höheren Pflichtteilsquote etc. überwogen werden!

 

Beispiel

Nur der Ehemann hat aus der ersten und aus seiner zweiten Ehe jeweils eine Tochter. Die eigene (dritte) Ehe blieb kinderlos. Die Töchter sollen nach seinem Tod so wenig wie möglich bekommen und werden auf den Pflichtteil gesetzt. Zudem soll nunmehr die Gütergemeinschaft vereinbart werden.

Lohnt sich dies im Einzelfall?

Variante 1:

Das Anfangsvermögen des Ehemanns beträgt 250.000 EUR, das der Ehefrau 25.000 EUR. Bei Zugewinngemeinschaft erhielten die beiden Kinder zusammen 67.500 EUR, also ein ¼ des Vermögens vom Vater. Bei einer Gütergemeinschaft wäre der Pflichtteil 51.562,50 EUR. Dieser errechnet sich wie folgt:

Gesamtgutvermögen 275.000 EUR (250.000 EUR + 25.000 EUR) – ½ = 137.500 EUR x ⅜

Bei dieser Variante wäre somit die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft vorteilhaft.

Variante 2:

Das Anfangsvermögen des Ehemanns beträgt 250.000 EUR, das der Ehefrau 125.000 EUR. Bei einer Zugewinngemeinschaft erhielten die beiden Kinder zusammen 67.500 EUR, also ¼ des Vermögens vom Vater. Bei einer Gütergemeinschaft wäre der Pflichtteil 70.312,50 EUR. Dieser errechnet sich wie folgt:

Gesamtgutvermögen 375.000 EUR (250.000 EUR + 125.000 EUR) – ½ = 187.500 EUR x ⅜

Bei der Variante 2 erhalten die Kinder des verstorbenen Ehemannes zusammen mehr, als wenn es bei der Zugewinngemeinschaft geblieben wäre. Hier wäre also die Vereinbarung der Gütergemeinschaft nachteilig.

2. Folgen der Aufhebung der Gütergemeinschaft

 

Rz. 56

Wird eine bestehende Gütergemeinschaft durch Ehevertrag aufgelöst und z.B. der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart, wird zunächst die Pflichtteilsquote unabhängig von der Zahl der Abkömmlinge von bisher ⅜ auf ¼ für alle Abkömmlinge reduziert.

Durch die Auflösung der Gütergemeinschaft wird zunächst das Gesamtgut gem. § 1471 Abs. 1 BGB auseinandergesetzt und zwar durch Überschussteilung des Gesamtguts zu je ½ gem. § 1476 BGB, nachdem die Gesamtgutverbindlichkeiten ausgeglichen wurden. Im Rahmen eines Ehevertrags kann der Halbteilungsgrundsatz abbedungen und andere Auseinandersetzungsquoten vereinbart werden. In diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, dass der Betrag, der über der ansonsten hälftigen Quote liegt, nicht pflichtteilsergänzungsfest ist.
Ein Verzicht auf sofortige Auseinandersetzung ist ebenso möglich. So kann diese auf den Zeitpunkt des Todes hin verschoben werden. Eine derartige Vorgehensweise ist häufig in den Fällen angezeigt, in denen Immobilien eine Rolle spielen. Für die Auseinandersetzung muss nämlich Teilungsreife vorliegen. Sind die Parteien im Streit, kann es somit bis zur Teilungsversteigerung kommen.

3. Gestaltungsmöglichkeiten

 

Rz. 57

Da die Gütergemeinschaft einerseits zur pflichtteilsfesten Übertragungsmöglichkeit des hälftigen Vermögens, andererseits aber zur Pflichtteilsquotenerhöhung führt, wurden in der Lit.[67] sog. "Schaukelmodelle" diskutiert. Damit sind Konstellationen gemeint, wonach zunächst der Güterstand der Gütergemeinschaft und anschließend wieder der gesetzliche Güterstand begründet wird. Auch nach einer erfolgten Auseinandersetzung nach Aufhebung der Gütergemeinschaft verbliebe aufgrund des Halbteilungsgrundsatzes der Vermögensvorteil beim ehemals "ärmeren" Ehegatten. Durch die anschließende Rückkehr zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird der große Nachteil der Gütergemei...

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