Rz. 192

In der Beratungspraxis wird eher der Fall der Volljährigenadoption[274] besprochen werden dürfen. Hintergrund ist nicht zuletzt die Tatsache, dass nach der Adoption der Volljährigen auch die erbschaftsteuerliche Stellung eines leiblichen Kindes mit den Vorzügen und Freibeträge der Steuerklasse I hat. Nachfolgend sollen jedoch nur die Abweichungen vom Fall der Minderjährigenadoption erläutert werden, die es in der Praxis zu beachten gilt.

[274] Zur Erwachsenenadoption im Erbrecht instruktiv: Hölscher, ErbR 2022, 106. Zu den Voraussetzungen und Konsequenzen der Erwachsenenadoption mit schwacher Wirkung: Krämer/Voigt, ZEV 2020, 468.

1. Voraussetzungen

 

Rz. 193

Nach § 1767 BGB wird bei der Volljährigenadoption eine "sittliche Rechtfertigung" verlangt. Das Familiengericht prüft somit insbesondere, ob zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Im Unterschied zur Minderjährigenadoption muss also bereits ein derartiges Verhältnis bereits vorliegen. Zusätzlich wird auch die Position der bereits vorhandenen Kinder der Annehmenden (und gegebenenfalls des Anzunehmenden) berücksichtigt. Wegen § 1769 BGB darf Annahme nicht ausgesprochen werden, wenn deren überwiegende Interessen entgegenstehen.

 

Rz. 194

Für den Fall, dass der Annehmende während des gerichtlichen Verfahrens verstirbt, sollte der beurkundende Notar immer auch beauftragt werden, den Antrag bei Gericht einzureichen. Dann kann der Ausspruch der Annahme durch das Gericht auch noch nach dessen Tod erfolgen (vgl. §§ 1753, 1767 BGB). Nicht möglich ist die Annahme an Kindes statt nur eines von zwei (lebenden) Eheleuten als Annehmende. Es müssen beide Eheleute die Person an Kindes statt annehmen.

 

Rz. 195

Krämer/Voigt[275] haben folgende Übersicht für von der Rechtsprechung bislang zugelassene Hauptmotive aufgestellt:

wechselseitiger erheblicher und auf Dauer angelegter Beistand bei oder nach außerordentlichen Belastungen
Pflege- und Unterstützungsbedürftigkeit des Annehmenden im Alter
Fortsetzung des Lebenswerkes des Annehmenden
sog. "nachgeholte Minderjährigenadoption"
Adoption von Pflege- und Stiefkindern.

Als unzulässige Hauptmotive, die allenfalls Nebenmotive darstellen, wurden nach Krämer/Voigt[276] u.a. angesehen:

finanzielle Absicherung des Anzunehmenden
Erlangung erbschaftsteuerlicher Vorteile
Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile
Fortführung eines bestimmten Familiennamens
Veränderung der Erb- und Pflichtteilsfolge.
 

Rz. 196

In den Adoptionsantrag, der nach § 1763 Abs. 3 BGB ebenfalls notariell zu beurkunden ist, ist daher eine eingehende Schilderung des bisherigen persönlichen Umgangs zwischen den Beteiligten aufzunehmen. Dabei sollten z.B. übereinstimmende Interessen, Hobbys, Weltanschauungen etc. geschildert und die Situation des sonstigen familiären Umfelds aufgenommen werden, damit dem Gericht die Prüfung der sittlichen Rechtfertigung erleichtert wird. In der Praxis hat sich insbesondere die Beifügung von Fotos von gemeinsamen Unternehmungen wie Urlauben und Feiern etc. bewährt, um den eigenen Sachvortrag zu stützen.

[275] ZEV 2020, 468 mit zahlreichen Rspr.-Hinweisen.
[276] ZEV 2020, 468.

2. Verfahren und Zustimmungen

 

Rz. 197

Der Adoptionsantrag ist durch den Notar oder die Beteiligten beim zuständigen Familiengericht einzureichen, in dessen Bezirk der Annehmende oder einer der Annehmenden seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 187 FamFG).

Der Antrag muss von dem/den Annehmenden und dem anzunehmenden Volljährigen gemeinsam gestellt werden. Die Notariatsgebühren richten sich in diesem Fall nach dem Reinvermögen des Annehmenden. Da der Anzunehmende bereits volljährig ist, ist die Einwilligung oder Zustimmung seiner leiblichen Eltern oder bisherigen gesetzlichen Vertreter (Vormund etc.) nicht mehr erforderlich. Ist der Anzunehmende jedoch verheiratet bedarf es nach § 1767 Abs. 2 BGB der Einwilligung seines Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartners.

 

Rz. 198

Eine weitere Besonderheit ist die "Volljährigenadoption mit starker Wirkung". Hierdurch entstehen die gleichen Wirkungen wie bei der Minderjährigenadoption, es erlöschen also insbesondere die bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse. Alternativ kann man sich auch nicht für die starke Wirkung entscheiden. Nach § 1772 Abs. 1 BGB soll eine Volljährigenadoption mit starken Wirkungen nur dann ausgesprochen werden, wenn zuvor oder gleichzeitig ein minderjähriges Geschwister des nunmehr Anzunehmenden bereits von denselben Personen adoptiert wurde, wenn der Anzunehmende bereits als Minderjähriger in der Familie der Annehmenden aufgenommen war oder wenn der Annehmende das Kind seines Ehegatten annimmt.

 

Rz. 199

In dem Fall der sog. "Volljährigenadoption mit schwacher Wirkung", die auch erleichtert aufgehoben werden kann, bleiben anders als bei der Minderjährigenadoption die Verwandtschaftsverhältnisse des Angenommenen zu seinen bisherigen leiblichen Verwandten bestehen. Eine Verwandtschaft wird dann nur zwischen dem Angenommenen und dessen Abkömmlingen einerseits und dem/den Annehmenden ...

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