Rz. 27

Sofern ein Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird, erhält er aufgrund der Vorschrift des § 1371 Abs. 2 BGB neben dem kleinen Pflichtteil den Zugewinnausgleich nach den güterrechtlichen Bestimmungen der §§ 13731383 sowie 1390 BGB. Die Problematik des kleinen und großen Pflichtteils ist hinreichend bekannt. Dennoch wird bei der Berechnung der Pflichtteile gerade § 1371 Abs. 2 BGB häufig übersehen. Der Pflichtteil der weiteren Pflichtteilsberechtigten erhöht sich.

 

Beispiel

Die Ehefrau des Erblassers erhält weder ein Vermächtnis noch wird sie Erbin. Der Sohn S 1 wird Alleinerbe. Die beiden weiteren Söhne S 2 und S 3 machen gegenüber S 1 den Pflichtteil geltend.

Falsch wäre jetzt zu rechnen, dass S 2 und S 3 lediglich 1/6 als gesetzlichen Erbteil erhalten und demnach der Pflichtteil 1/12 wäre. Richtig ist, dass die Verteilungsmasse für die Söhne statt ½ nun ¾ ist, sodass der Pflichtteil sich hieraus errechnet und dementsprechend ⅛ je Kind beträgt.

 

Rz. 28

 

Übersicht über die Möglichkeiten des Ehegatten bei gesetzlicher und testamentarischer Erbfolge[26]

Ehegatte ist gesetzlicher Erbe Ehegatte ist gewillkürter Erbe Ehegatte ist (nur) Vermächtnisnehmer Ehegatte ist enterbt
Keine Ausschlagung Ausschlagung Keine Ausschlagung Ausschlagung Keine Ausschlagung Ausschlagung Güterrechtliche Lösung

Erbrechtliche Lösung:

Gesetzlicher Erbteil und pauschale Erhöhung um ¼

Güterrechtliche Lösung:

Kleiner Pflichtteil und konkreter Zugewinn
Keine pauschale Erhöhung, da keine gesetzliche Erbfolge, ggf. Aufstockung auf "großen" Pflichtteil

Güterrechtliche Lösung:

Kleiner Pflichtteil und konkreter Zugewinn
Ggf. Aufstockung auf "großen" Pflichtteil

Güterrechtliche Lösung:

Kleiner Pflichtteil und konkreter Zugewinn

Güterrechtliche Lösung:

Kleiner Pflichtteil und konkreter Zugewinn
§§ 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB §§ 1931 Abs. 1 u. 2, 1371 Abs. 3 BGB §§ 2305, 2307, 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB §§ 1931 Abs. 1 u.2, 1371 Abs. 3 BGB §§ 2305, 2307, 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB § 1371 Abs. 2 BGB § 1371 Abs. 2 BGB
[26] Nach Damrau/Tanck/Tanck, Erbrecht, § 1931 Rn 23.

I. Vorsicht bei taktischer Ausschlagung

 

Rz. 29

Immer wieder wird auf die taktische Ausschlagung hingewiesen, wonach der als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedachte Ehegatte aus ökonomischen Gründen erwägen solle, die Erbschaft auszuschlagen.[27] Bevor ausgeschlagen und die güterrechtliche Lösung gewählt wird, gilt es aber genau zu rechnen und zu überprüfen, ob nicht der Ehegatte sich etwaige Vorempfänge nach Maßgabe des § 1380 BGB anrechnen lassen muss.

 

Rz. 30

Auf die Zugewinnausgleichsforderung eines Ehegatten werden die Zuwendungen angerechnet, die ein Ehegatte während der Ehe – im Fall des Todes bis zum Bewertungsstichtag Tod – vom anderen Ehegatten mit der Bestimmung der Anrechnung nach § 1380 Abs. 1 S. 1 BGB erhalten hat. Dabei besteht für Zuwendungen eine Anrechnungsvermutung, die den Wert von Gelegenheitsgeschenken, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind, übersteigen. Nach § 1380 Abs. 2 BGB bestimmt sich der (nach hier vertretener Auffassung indexierte[28]) Wert nach dem Zeitpunkt der Zuwendung, spätere reale Wertänderungen bleiben außer Betracht. Der Wert der Zuwendung ist bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des leistenden Ehegatten hinzuzurechnen und aus dem Endvermögen des anderen Ehegatten herauszurechnen (Berechnungsbeispiel vgl. Rdn 34).[29]

 

Rz. 31

Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 1380 BGB ergibt, kommt die Norm nur dort zur Anwendung, wo sich eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers – also nur des nicht bedachten Ehegatten – ergibt.[30]

Als Zuwendungen werden nur freiwillige Leistungen ohne Gegenleistung angesehen.[31] Hierunter fallen auch die in der Praxis bedeutsamen ehebedingten Zuwendungen.[32]

 

Rz. 32

Somit sind für die Praxis insb. folgende Zuwendungen, die nach § 1380 BGB anrechnungspflichtig sind, zu berücksichtigen:

Übertragung des Miteigentums einer Immobilie[33] oder Finanzierung einer gemeinsamen Immobilie durch einen Ehegatten allein;[34]
Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung;[35]
Unternehmensbeteiligung;[36]
Geldleistungen;[37]
kostbare Geschenke über das den Lebensverhältnissen übliche Maß hinaus.[38]
 

Rz. 33

Große Sorgfalt ist bei der Feststellung des Endvermögens walten zu lassen. Hat der Erblasser oder der Ehegatte illoyale Verfügungen zu Ehezeiten getätigt, ist auf jeden Fall zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit besteht, das jeweilige Endvermögen aufgrund § 1375 Abs. 2 BGB zu erhöhen. Hier ist insb. an Schenkungen an Dritte (neuen Lebenspartner etc.) zu denken. Es sollte auf jeden Fall auch die Auskunft zum Trennungszeitpunkt eingeholt werden, um von den Erleichterungen des § 1375 Abs. 2 S. 2 BGB zu profitieren (Vermögensverschiebungen zwischen Trennungszeitpunkt und Zustellung Scheidungsantrag).

Des Weiteren gilt § 1374 Abs. 2 BGB nicht für Schenkungen und unbenannte Zuwendungen unter Eheleuten. Dies bedeutet, dass dieses Vermögen nicht dem Anfangsvermögen des Beschenkten zugerechnet wird.

 

Rz. 34

 

Praxishinweis

Für Kautelar...

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