Rz. 9

Das Unternehmertestament sollte idealerweise nicht dazu dienen, das Unternehmen auf die Nachfolger zu übertragen. Vielmehr sollte das Unternehmertestament die zu Lebzeiten bereits erfolgte Nachfolge lediglich ergänzen und abrunden. Darüber hinaus dient es vor allem als Notfalllösung für den Fall eines überraschenden und unerwarteten Ablebens des Unternehmers (bspw. aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit).

Das beste Unternehmertestament ist vermutlich dasjenige, das überhaupt nicht zum Tragen kommt, weil das Unternehmen bereits zu Lebzeiten einvernehmlich übertragen worden ist.

 

Rz. 10

Für eine gleitende Unternehmensübertragung zu Lebzeiten sprechen u.a. folgende Überlegungen:

Das Vermögen des Erblassers kann zu Lebzeiten so strukturiert werden, dass die von ihm beabsichtigte Nachfolge später auch tatsächlich effektiv verwirklicht werden kann (bspw. durch eine Änderung der Rechtsform des Unternehmens oder den gezielten Aufbau von Privatvermögen).
Die frühzeitige Einbindung des potentiellen Unternehmenserben (und ggf. auch des späteren Testamentsvollstreckers) in das Unternehmen gewährleistet einen nahtlosen Übergang und sichert die Kontinuität der Unternehmensfortführung.
Die sukzessive Übertragung von unternehmerischer Verantwortung ermöglicht es dem Nachfolger nicht nur, sich langfristig mit den neuen Aufgaben vertraut zu machen, sondern bindet diesen auch an das Unternehmen.
Die Vermögensübertragung zu Lebzeiten ermöglicht es dem potentiellen Erblasser, sich (mit zunehmendem Alter) aus dem Alltagsgeschäft zurückzuziehen und entlastet ihn von der damit verbundenen unternehmerischen Verantwortung.
Die Gefahr von Erbstreitigkeiten und Spannungen innerhalb der Familie ist tendenziell geringer, wenn der potentielle Erblasser die Vermögensübertragung bereits zu Lebzeiten vornimmt und er die von ihm getroffene Nachfolgeentscheidung innerhalb der Familie erläutern und rechtfertigen kann.
Durch die sukzessive Übertragung der Unternehmensbeteiligung können im Einzelfall Pflichtteilsansprüche weichender Erben reduziert oder vermieden werden (§ 2325 BGB).
Die Möglichkeit einer ganzheitlichen Nachfolgeplanung unter ergänzender Berücksichtigung von Pflichtteilsverzichtsverträgen, Eheverträgen und Vorsorgevollmachten besteht nur bei einer Vermögensübertragung zu Lebzeiten.
In den letzten Jahren ist es immer schwieriger geworden, überhaupt einen geeigneten Unternehmensnachfolger innerhalb der Familie zu finden. Alternative Nachfolgemodelle, wie bspw. der Verkauf des Unternehmens an Mitarbeiter, Konkurrenten oder Finanzinvestoren, gewinnen daher zunehmend an Bedeutung.
Die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer können alle zehn Jahre erneut in Anspruch genommen werden (§ 14 ErbStG). Künftige Wertsteigerungen des übertragenen Vermögens unterliegen zudem nicht mehr der Erbschaftsteuer.
Durch die Verlagerung von Einkünften auf die Nachfolger kann u.U. die Einkommensteuerbelastung reduziert werden (z.B. durch das mehrfache Ausnutzen von Freibeträgen oder Progressionsvorteile).
 

Rz. 11

Ein entscheidendes Argument für die vorweggenommene Erbfolge dürfte schließlich der Aspekt der Planungssicherheit sein. Die für die Nachfolgeplanung maßgebenden gesetzlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen ändern sich immer öfter und immer schneller, so dass es vielfach schon schwierig ist, die Auswirkungen einer Unternehmensübertragung zu Lebzeiten in vollem Umfang verlässlich vorherzusehen. Nahezu unmöglich ist unter diesen Umständen eine Optimierung der Nachfolgeregelung durch ein Unternehmertestament, das naturgemäß erst zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft Bedeutung erlangt.

 

Rz. 12

Besonders zahlreich sind die Veränderungen traditionell im deutschen Steuerrecht. Dies gilt zunächst für den Gesetzgeber, der mit kurzfristigen Gesetzesänderungen eine langfristige Nachfolgeplanung zunehmend erschwert. Besonders problematisch sind dabei rückwirkende Gesetzesänderungen.[5]

 

Rz. 13

Neben der Steuergesetzgebung wird die Planungssicherheit immer wieder aber auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung beeinträchtigt. Ein Beispiel dafür ist die anhaltende Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des ErbStG.[6] Bei vielen Unternehmern führt dies zu einer erheblichen Verunsicherung.

 

Rz. 14

Nicht zuletzt wird die Nachfolgeplanung oftmals auch durch Anweisungen der Finanzverwaltung erschwert. Dies gilt insbesondere dann, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen Finanzverwaltung und Rechtsprechung bestehen.

 

Rz. 15

Aber auch außerhalb des Steuerrechts kommt es immer öfter zu einer Veränderung der Rahmenbedingungen. Am 1.1.2024 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG)[7] in Kraft getreten, mit dem die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmensnachfolge[8] vielfältig geändert werden.[9] Bereits am 1.1.2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht in Kraft getreten.[10] Die umfangreichen Änderungen ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge