Rz. 240

Gehört zum Nachlass der Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters, kann der Erbe in folgendes Dilemma geraten:[191] Nimmt der Erbe die Erbschaft an, haftet er unbeschränkt und unbeschränkbar für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§§ 128 ff. HGB). Schlägt er die Erbschaft dagegen aus (§§ 1942 ff. BGB), muss er auf den Nachlass insgesamt verzichten. Die Ausschlagung der Erbschaft kann nicht gegenständlich auf den Gesellschaftsanteil beschränkt werden. Diese Zwangslage soll dadurch vermieden werden, dass der Erbe die Möglichkeit hat, sein Verbleiben in der Gesellschaft von der Umwandlung des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters in die eines Kommanditisten abhängig zu machen (ab 1.1.2024: § 131 HGB n.F., zuvor: § 139 HGB a.F.).[192] Das Wahlrecht steht nur dem Erben, nicht auch dem Vermächtnisnehmer zu.[193]

 

Rz. 241

Der Erbe hat den Antrag auf Umwandlung der Gesellschafterstellung an die übrigen Gesellschafter (und nicht an die Gesellschaft) zu richten. Der Antrag ist vom Erben selbst zu stellen. Eine Ausübung des Wahlrechts durch einen Testamentsvollstrecker oder Dritte ist nicht möglich. Der Antrag kann formlos gestellt werden.

 

Rz. 242

Bei minderjährigen Erben muss der Antrag vom gesetzlichen Vertreter gestellt werden. Eine Genehmigung des Familiengerichts ist nicht erforderlich. Ist der gesetzliche Vertreter jedoch selbst Gesellschafter, muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Die Antragsfrist von drei Monaten beginnt in diesem Fall erst mit der Bestellung des Pflegers zu laufen.

 

Rz. 243

Bei mehreren Erben steht das Wahlrecht jedem einzelnen Erben zu. Die Erben müssen ihre Rechte insbesondere nicht einheitlich ausüben. Jeder Erbe kann für sich entscheiden, ob er in die Rechtsstellung des Erblassers als persönlich haftender Gesellschafter eintreten oder die Umwandlung in eine Kommanditistenstellung verlangen möchte. Die verbleibenden Gesellschafter haben umgekehrt die Möglichkeit, über die Anträge mehrerer Erben unterschiedlich zu entscheiden. Sie müssen die Anträge auf Umwandlung der Gesellschaftsstellung nicht einheitlich annehmen oder ablehnen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausübung des Wahlrechts und der verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten können mehrere Erben eines persönlich haftenden Gesellschafters unterschiedliche Rechtsstellungen erlangen.[194]

 

Rz. 244

Für den Antrag auf Umwandlung der Gesellschafterstellung gilt grundsätzlich eine Frist von drei Monaten (ab 1.1.2024: § 131 Abs. 3 HGB n.F., zuvor: § 139 Abs. 3 HGB a.F.). Die Frist beginnt mit Kenntnis vom Erbfall. Dagegen kommt es nicht darauf an, dass der Erbe auch Kenntnis davon hat, dass zum Nachlass eine Gesellschaftsbeteiligung gehört. Bei mehreren Erben läuft die Antragsfrist für jeden Erben gesondert. Die Frist endet jedoch auf keinen Fall vor dem Ende der Ausschlagungsfrist. Die Ausschlagungsfrist beträgt zwar nur sechs Wochen (§ 1944 Abs. 1 BGB), doch beginnt sie nicht schon mit Kenntnis vom Erbfall, sondern erst mit zusätzlicher Kenntnis vom Berufungsgrund zu laufen (§ 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hat der Erblasser ein Testament hinterlassen, beginnt die Frist erst mit der Verkündung der Verfügung von Todes wegen (§ 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB). In Erbfällen mit Auslandsbezug beträgt die Ausschlagungsfrist vielfach sechs Monate (§ 1944 Abs. 3 BGB). Die Ausschlagungsfrist kann demnach durchaus später enden als die handelsrechtliche Dreimonatsfrist.

 

Rz. 245

Innerhalb der Frist von drei Monaten muss allerdings nicht nur der Antrag des Erben gestellt werden. Vielmehr muss innerhalb dieser Zeit auch die Gesellschaft die Entscheidung über die Annahme bzw. Ablehnung des Antrags auf Umwandlung der Gesellschafterstellung getroffen haben, damit dem Erben die Haftungserleichterungen gewährt werden. Ein schnelles Handeln aller Beteiligten ist daher in jedem Fall geboten.

 

Rz. 246

Über den Antrag des Erben entscheiden die verbleibenden Gesellschafter durch Beschluss. Der Beschluss bedarf der Einstimmigkeit, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält. Die Zustimmung anderer Miterben ist dagegen nicht erforderlich. Die Gesellschafter sind ihrer Entscheidung über den Antrag eines Erben auf Umwandlung der Gesellschafterstellung in die eines Kommanditisten völlig frei. Der Erbe ist lediglich antragsberechtigt. Ein Anspruch auf Einräumung einer Kommanditistenstellung steht ihm dagegen nicht zu (es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht diesen Anspruch ausnahmsweise vor).

 

Rz. 247

Nehmen die Gesellschafter den Antrag des Erben an, wird der Anteil des Erblassers in den eines Kommanditisten umgewandelt. Der Anteil am Gewinn und Verlust geht auf den Erben über, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält (ab 1.1.2024: § 131 Abs. 1 und 5 HGB n.F., zuvor § 139 Abs. 1 und 5 HGB a.F.). Alle sonstigen Rechte und Pflichten, die mit der Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters verbunden waren, entfallen.

 

Rz. 248

Als Kommanditeinlage des Erben gilt der auf ihn entfallenden Anteil der Einl...

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