a) Problematik: Kollision zwischen Erbrecht und Handelsrecht

 

Rz. 135

Der Erblasser kann die Erben des Einzelunternehmens mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung beschweren. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Erben des Unternehmers aufgrund ihres Alters oder ihrer Ausbildung noch nicht in der Lage sind, das einzelkaufmännische Unternehmen selbstständig zu führen.

 

Rz. 136

Der Testamentsvollstrecker kann kraft seines Amtes jedoch kein Handelsgeschäft führen. Der Testamentsvollstrecker kann Verbindlichkeiten nur für den Nachlass, nicht für die Erben persönlich eingehen. Könnte der Testamentsvollstrecker das Unternehmen für die Erben fortführen, würde ein Unternehmen mit lediglich beschränkter Haftung entstehen, ohne dass die Aufbringung und Erhaltung eines Haftungskapitals gewährleistet wäre. Dies wäre mit den Bedürfnissen des Handels- und Geschäftsverkehrs nicht vereinbar. Zur Lösung des Konflikts zwischen Erbrecht und Handelsrecht werden daher verschiedene alternative Lösungen vorgeschlagen.[118]

[118] Ausf. zur Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung am Einzelunternehmen siehe Damrau/Tanck/Bonefeld, Erbrecht, § 2205 Rn 25 ff.; MüKo-BGB/Lange, § 2205 Rn 18 ff.; Grüneberg/Weidlich, § 2205 Rn 7 ff.

b) Vollmachtslösung

 

Rz. 137

Bei der Vollmachtslösung führt der Testamentsvollstrecker das Handelsgeschäft als Bevollmächtigter der Erben. Die Erben haften dann persönlich und unbeschränkt. Der Erblasser kann die (widerrufliche) Vollmacht selbst mit Wirkung über seinen Tod hinaus erteilen oder die Erben durch Auflage zur Erteilung einer entsprechenden Vollmacht an den Testamentsvollstrecker verpflichten. Die Erteilung der Vollmacht (oder das Unterlassen des Widerrufs einer vom Erblasser erteilten Vollmacht) kann zur Bedingung der Erbeinsetzung gemacht werden. Die Funktion der Vollmachtslösung besteht darin, die unbeschränkte Verpflichtung der Erben zu ermöglichen. Die Testamentsvollstreckung wird damit durch die Vollmacht insoweit ergänzt, als sie gesetzlich unzulässig wäre.

 

Rz. 138

Die Erben bleiben Inhaber des geerbten Unternehmens und werden als Erbengemeinschaft im Handelsregister eingetragen. Ein Testamentsvollstreckervermerk wird nicht eingetragen.

 

Rz. 139

Die Vollmachtlösung erscheint insoweit problematisch, als die Erben mit ihrem gesamten Eigenvermögen für die Handlungen des Testamentsvollstreckers haften, obwohl sie auf die Auswahl des Testamentsvollstreckers regelmäßig keinen Einfluss haben und es sich nicht unbedingt um eine Person ihres Vertrauens handelt.

c) Treuhandlösung

 

Rz. 140

Bei der Treuhandlösung übernimmt der Testamentsvollstrecker das Unternehmen als Treuhänder und führt es im eigenen Namen fort. Im Außenverhältnis haftet der Testamentsvollstrecker dann persönlich und unbeschränkt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Unternehmensfortführung treffen jedoch im Innenverhältnis die Erben.

 

Rz. 141

Der Testamentsvollstrecker wird als Inhaber in das Handelsregister (ohne Testamentsvollstreckervermerk) eingetragen. Bei der Handelsregisteranmeldung haben die Erben mitzuwirken.

 

Rz. 142

Die Anordnung der Testamentsvollstreckung durch den Erblasser ist im Zweifel i.S.d. Treuhandlösung auszulegen, da eine unbeschränkte persönliche Verpflichtung der Erben nur ausnahmsweise dem Willen des Erblassers entsprechen wird.

 

Rz. 143

Es sind zwei Arten der Treuhandlösung möglich:

Bei der Vollrechtstreuhand überträgt der Erbe dem Testamentsvollstrecker das Eigentum an dem Unternehmen. Dies erfordert eine Einzelübertragung aller zum Unternehmen gehörenden Aktiva und Passiva. Die Übertragung muss der Testamentsvollstrecker durch (regelmäßig als zulässig anzusehendes) In-Sich-Geschäft vornehmen (§ 181 BGB). Der Testamentsvollstrecker wird nach außen alleiniger Inhaber des Unternehmens und haftet den Gläubigern gegenüber persönlich. Im Innenverhältnis hat er gegenüber den Erben (für deren Rechnung er das Handelsgeschäft führt) einen Anspruch auf Befreiung von seiner unbeschränkten Haftung. Die Erben können die Freistellung allerdings auf den Nachlass begrenzen, sofern der Testamentsvollstrecker mit den Erben keine abweichende Vereinbarung getroffen hat.
Bei der Verwaltungs- oder Ermächtigungstreuhand überträgt der Erbe dem Testamentsvollstrecker die Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände. Die Stellung des Testamentsvollstreckers ähnelt in diesem Fall der eines Pächters des Unternehmens. Der Testamentsvollstrecker erwirbt in diesem Fall nicht das Eigentum an den einzelnen Gegenständen des Unternehmens. Die Verfügungsbefugnis über das Unternehmen reicht nur soweit, wie sie ihm als Testamentsvollstrecker zusteht. Überschreitet der Testamentsvollstrecker die ihm eingeräumten Befugnisse, haftet das Geschäftsvermögen nicht für die eingegangenen Verbindlichkeiten.
 

Rz. 144

In der Praxis werden i.d.R. aber nur wenige Testamentsvollstrecker bereit sein, die mit der Treuhandlösung verbundenen Haftungsrisiken zu übernehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Unternehmen nicht über eine ausgezeichnete Bonität verfügt und der restliche Nachlass keine ausreichende Sicherheit für etwaige Regressansprüche gegen d...

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