I. Typischer Sachverhalt

 

Rz. 34

Eine deutsche Gesellschaft wird an ihrem Sitz von einer jordanischen Handelsgesellschaft auf Zahlung des Kaufpreises für gelieferte Waren verklagt. Die deutsche Gesellschaft hat umfassende Mängelrügen erhoben und macht ihrerseits Schadensersatzansprüche geltend. Sie rechnet mit einem langwierigen Verfahren, ggf. sogar durch alle Instanzen, und befürchtet, im Falle einer Klageabweisung auf ihren Prozesskosten sitzenzubleiben.

II. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 35

Gem. § 110 Abs. 1 ZPO haben Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der EU oder im EWR haben, dem Beklagten auf dessen Verlangen wegen seiner Prozesskosten Sicherheit zu leisten. Der Beklagte soll so vor möglichen Schwierigkeiten bei der Vollstreckung seiner Kostenforderung im Ausland geschützt werden. Der Antrag muss vor der Verhandlung zur Hauptsache bzw. innerhalb der Klageerwiderungsfrist gestellt werden. Bei juristischen Personen ist bei der Bestimmung des Aufenthaltsorts nach h.M. nicht auf den statutarischen Sitz, sondern auf den Verwaltungssitz abzustellen, da dort das Zentrum der geschäftlichen Aktivitäten ist und sich deshalb zumindest teilweise das Betriebsvermögen der Gesellschaft befindet.[111] Nach der Rechtsprechung des BGH sind bei der Berechnung der Sicherheitsleistung von vornherein die Kosten des gesamten Rechtszugs anzusetzen.[112]

Der Grundsatz der "Ausländersicherheit" erfährt allerdings zahlreiche Durchbrechungen.[113] So besteht eine Pflicht zur Sicherheitsleistung nur innerhalb des ordentlichen Klageverfahrens. Darüber hinaus entfällt die Sicherheitsleistung in den von § 110 Abs. 2 ZPO bestimmten Fällen, d.h. insbesondere aufgrund staatsvertraglicher Befreiungsregelungen.[114]

[111] OLG München 24.6.2010 – 29 U 3381/09, IPRax 2011, 267; OLG Karlsruhe 11.10.2007 – 19 U 34/07, NJW-RR 2008, 944; LG Berlin 29.10.2009 – 33 O 433/07, IPRax 2011, 83; a.A. OLG Schleswig 15.1.2013 – 11 U 9/12, IPRax 2014, 289, hierzu krit. Schütze, IPRax 2014, 272; offengelassen BGH 21.6.2016 – X ZR 41/15, GRUR 2016, 1204.
[112] BGH 15.5.2001 – XI ZR 243/00, NJW 2001, 3630; BGH 1.4.1981 – VIII ZR 159/80, NJW 1981, 2646; a.A. OLG Schleswig 15.1.2013 – 11 U 9/12, IPRax 2014, 289; OLG München 24.6.2010 – 29 U 3381/09, IPRax 2011, 267; OLG Karlsruhe 11.10.2007 – 19 U 34/07, NJW-RR 2008, 944 (nur Kosten der laufenden Instanz sowie Berufungskosten bis zur Möglichkeit einer Erhöhung nach § 112 Abs. 3 ZPO).
[113] Dazu näher Schütze, IZPR in der ZPO, § 110 Rn 42 ff.
[114] Siehe hierzu die Übersicht bei Nagel/Gottwald, IZPR, § 5 Rn 97 ff.

III. Muster: Antrag auf Sicherheitsleistung für Prozesskosten

 

Rz. 36

Muster 23.6: Antrag auf Sicherheitsleistung für Prozesskosten

 

Muster 23.6: Antrag auf Sicherheitsleistung für Prozesskosten

An das Landgericht _____

_____

In Sachen

_____ gegen _____

beantragen wir

 
  anzuordnen, dass der Kläger innerhalb einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist Sicherheit für sämtliche zu erwartenden Prozesskosten des Beklagten in einer von dem Gericht zu bestimmenden Höhe zu leisten hat.

Für den Fall, dass die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist der Anordnung der Sicherheitsleistung nicht nachkommt, bitte ich schon jetzt um zeitnahe Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, in dem ich beantragen werde,

die Klage für zurückgenommen zu erklären.

Begründung:

Die Klägerin ist eine Handelsgesellschaft jordanischen Rechts, deren Verwaltungssitz in Amman liegt. Da keine staatsvertragliche Befreiung oder ein Befreiungsgrund nach § 110 Abs. 2 ZPO vorliegt, muss sie deshalb dem Beklagten gem. § 110 Abs. 1 ZPO Prozesskostensicherheit leisten. Bei der Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung ist vorliegend davon auszugehen, dass der Instanzenzug vollständig ausgeschöpft werden wird. Daher sind die Prozesskosten für alle drei Instanzen anzusetzen.

(Rechtsanwalt)

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