Rz. 46

Auch das autonome deutsche Recht unterscheidet – ebenso wie die meisten ausländischen Rechtsordnungen – zwischen der Anerkennung und der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. Allerdings besteht eine Wechselwirkung, da die (inzidente) Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nach § 328 ZPO die Voraussetzung für eine Vollstreckbarerklärung ist. Bevor der Gläubiger staatliche Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen kann, muss er nach den §§ 722 f. ZPO zunächst ein Vollstreckungsurteil erwirken, das dem ausländischen Titel die Vollstreckbarkeit (originär) verleiht.

 

Rz. 47

Die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 328 ZPO sind deutlich strenger als nach der EuGVO und den anderen EU-Verordnungen sowie denjenigen des LugÜ II. So sind zum einen nur solche Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen anerkennungsfähig, die von einem staatlichen Gericht in einem justizförmigen Verfahren erlassen worden sind, in dem beiden Parteien rechtliches Gehör gewährt worden ist. Zudem müssen sie nach dem für sie maßgebenden Recht rechtskräftig geworden sein.[132] Bloß vorläufig vollstreckbare Entscheidungen sowie einstweilige Maßnahmen sind daher nicht anerkennungsfähig. Zum anderen werden nur Entscheidungen aus Staaten anerkannt, die aus der Sicht des deutschen Rechts für die Sachentscheidung international zuständig sind (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Überprüfung dieser Anerkennungszuständigkeit wird auf das sog. Spiegelbildprinzip gestützt, bei denen die deutschen Zuständigkeitsvorschriften auf den Urteilsstaat übertragen werden. Weitere Anerkennungsversagungsgründe sind die Verletzung rechtlichen Gehörs, das Vorliegen einer entgegenstehenden Entscheidung und der Verstoß gegen den nationalen ordre public (§ 328 Abs. 1 Nr. 2–4 ZPO). Zudem ist die Anerkennung nach § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO davon abhängig, dass die Gegenseitigkeit verbürgt ist, d.h. dass der Urteilsstaat seinerseits deutsche Entscheidungen anerkennt.[133] Die Rechtsprechung ist bemüht, dieses Anerkennungshindernis durch eine großzügige Handhabung zu entschärfen,[134] zumal es in der Praxis häufig ausgesprochen schwierig ist zu prüfen, ob und inwiefern die Gegenseitigkeit verbürgt ist.

[132] Nagel/Gottwald, IZPR, § 12 Rn 156 ff.; Schack, IZVR, Rn 970; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn 5; großzügiger Geimer, IZPR, Rn 2856 f.
[133] Da hierdurch die an der Entscheidung interessierte Partei einseitig benachteiligt wird, ist das Gegenseitigkeitserfordernis seit langem starker rechtspolitischer Kritik ausgesetzt, vgl. hierzu statt vieler Schack, IZVR, Rn 1025 ff.
[134] BGH 30.9.1964 – VIII ZR 195/61, BGHZ 42, 194, 197; BGH 9.7.1969 – VIII ZR 185/67, BGHZ 52, 251, 255; BGH 29.4.1999 – IX ZR 263/97, BGHZ 141, 286, 299 f.

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