Rz. 17

Die internationale Zuständigkeit kraft Gerichtsstandsvereinbarung ist von der Zuständigkeit aufgrund der rügelosen Einlassung des Beklagten abzugrenzen, obwohl beide Rechtsinstitute funktional miteinander verwandt sind.[57] Indem der Beklagte sich vorbehaltlos zur Sache einlässt, unterwirft er sich der Jurisdiktion Deutschlands.[58] Ebenfalls möglich ist die Zuständigkeitsbegründung durch ausdrückliche Unterwerfung unter die Jurisdiktion eines bestimmten Landes.[59]

Die Zuständigkeitsbegründung aufgrund rügeloser Einlassung richtet sich entweder nach Art. 26 EuGVO oder nach § 39 ZPO. Der persönliche Anwendungsbereich des Art. 26 EuGVO ist nach der EuGH-Rechtsprechung ohne Rücksicht darauf eröffnet, ob eine der Parteien einen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat.[60] Seit der Neufassung der EuGVO entspricht dies dem Anwendungsbereich des Art. 25 EuGVO, so dass nunmehr ein Gleichlauf zwischen Art. 25 und Art. 26 EuGVO besteht. Mit Ausnahme der ausschließlichen Gerichtsstände nach Art. 24 EuGVO ist eine rügelose Einlassung nach Art. 26 EuGVO grundsätzlich auch in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsrechtssachen möglich. Art. 26 Abs. 2 EuGVO statuiert für diese Fälle allerdings eine gerichtliche Belehrungspflicht zugunsten der schwächeren Partei, so dass diese die Chance hat, die Zuständigkeit des Gerichts zu rügen.[61]

Im Gegensatz zu § 39 ZPO ist es für die Zuständigkeitsbegründung nach Art. 26 EuGVO nicht erforderlich, dass sich der Beklagte zur Hauptsache einlässt.[62] Es genügt, dass sich die Einlassung auf andere Zulässigkeitsvoraussetzungen bezieht.[63] Die hilfsweise Einlassung zur Hauptsache schadet dagegen niemals, sondern ist im Gegenteil zur Vermeidung von Rechtsnachteilen geboten.

Der Beklagte darf grundsätzlich bis zur mündlichen Verhandlung mit der Geltendmachung der Unzuständigkeit warten; die §§ 282 Abs. 3, 296 Abs. 3 ZPO gelten insofern nicht.[64] Äußert er sich vorher im Klageerwiderungsschriftsatz dagegen zu einem anderen Aspekt, soll dies zuständigkeitsbegründende Wirkung haben.[65] Es empfiehlt sich daher, die Zuständigkeitsrüge spätestens mit der Klageerwiderung zu erheben. In der Rechtsmittelinstanz muss die Zuständigkeitsrüge im Anwendungsbereich der EuGVO wiederholt werden.[66]

[57] BGH 30.3.1976 – VI ZR 143/74, NJW 1976, 1581; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rn 294; vgl. auch Schack, IZVR, Rn 545, 598.
[58] BGH 26.1.1979 – V ZR 75/76, NJW 1979, 1104; Geimer, IZPR, Rn 1397. Bei der rügelosen Einlassung beruht die Zuständigkeitsbegründung nach deutschem Verständnis auf einer prozessualen Präklusion der Zuständigkeitsrüge. Das bedeutet, dass die Zuständigkeit bei nicht verspäteter oder unterlassener Rüge unabhängig vom Willen und den Vorstellungen der Parteien begründet wird, vgl. BGH 30.3.1976 – VI ZR 143/74, NJW 1976, 1581; anders der EuGH, der eine stillschweigende Prorogation annimmt, EuGH 20.5.2010 – C-111/09, EuGHE 2010, I-4545, 4555, Rn 21 – Bilas.
[59] Siehe hierzu Geimer, IZPR, Rn 1396 ff.
[60] EuGH 13.7.2000 – C-412/98, EuGHE 2000, I-5925 Rn 44 f. – Group Josi; vgl. auch Musielak/Voit/Stadler, Art. 26 EuGVVO n.F. Rn 1; Schlosser/Hess, Art. 26 EuGVVO Rn 1; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn 2 f.
[61] Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht siehe Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn 24 ff.
[62] Der Begriff der "rügelosen Einlassung" i.S.d. Art. 26 EuGVO ist autonom zu bestimmen, vgl. OLG Koblenz 8.3.2000 – 2 U 1788/99, IPRax 2001, 334, 336; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn 4 ff; Musielak/Voit/Stadler, Art. 26 EuGVVO n.F. Rn 3; Geimer/Schütze, EZVR, Art. 26 EuGVVO Rn 5; Leible/Sommer, IPRax 2006, 568.
[63] OLG Frankfurt 20.4.2005 – 4 U 233/04, NJW-RR 2005, 935; Musielak/Voit/Stadler, Art. 26 EuGVVO n.F. Rn 3; Hess, EuZPR, § 6 Rn 172; Schlosser/Hess, Art. 26 EuGVVO Rn 2.
[64] BGH 21.11.1996 – IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127; OLG Dresden 7.5.2009 – 10 U 1816/08, NJW-RR 2009, 1295 f.; Schlosser/Hess, Art. 26 EuGVVO Rn 1; krit. Schack, IZVR, Rn 603; a.A. OLG Frankfurt 9.9.1999 – 4 U 13/99, IPRax 2000, 525.
[65] OLG Frankfurt 9.9.1999 – 4 U 13/99, IPRax 2000, 525; Musielak/Voit/Stadler, Art. 26 EuGVVO n.F. Rn 3; Kropholler/von Hein, EZPR, Art. 24 EuGVO Rn 15.
[66] BGH 27.6.2007 – X ZR 15/05, NJW 2007, 3501; Schlosser/Hess, Art. 26 EuGVVO Rn 3; Kropholler/von Hein, EZPR, Art. 24 EuGVO Rn 13. Nach autonomem deutschen Recht genügt eine Zuständigkeitsrüge in erster Instanz, BGH 27.6.2007 – X ZR 15/05, NJW 2007, 3501, 3502; Schack, IZVR, Rn 598.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge