Rz. 37

Aus den gleichen Gründen wie der Gegner kann ein Dritter zur Urkundenvorlage verpflichtet werden (§§ 428 ff. ZPO). Zwangsweise ist die Herbeischaffung in diesen Fällen lediglich im Prozesswege möglich.

 

Rz. 38

Zusätzlich hat das Gericht auch gegenüber Dritten die Möglichkeit, von Amts wegen die Vorlage beweiserheblicher Urkunden aufzugeben (§ 142 ZPO). Ein materiellrechtlicher Anspruch wird hierfür nicht vorausgesetzt.[46] Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts.[47] Das Gericht kann die Vorlage von Urkunden durch einen Dritte anordnen, wenn diesem das zumutbar ist und er zudem kein Zeugnisverweigerungsrecht hat (§ 142 Abs. 2 S. 1 ZPO). Gegenüber dem Dritten stehen die gleichen Zwangsmittel wie gegenüber einem Zeugen zur Verfügung (§ 142 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 390 ZPO).

 

Rz. 39

 

Hinweis

Die Parteien sollten dem Gericht gegenüber die Anordnung der Urkundenvorlage so früh wie möglich im Verfahren anregen. Zur Meidung einer unzulässigen Ausforschung zu Lasten des Gegners bedarf es neben einer möglichst präzisen Bezeichnung der vorzulegenden Urkunde auch eines substantiierten Vortrags zu den hierdurch zu beweisenden Tatsachen. Dabei hat es sich bewährt, zusätzlich die Gründe der eigenen Beweisnot zu beleuchten.[48]

 

Rz. 40

So kann z.B. einem Arzt, der den Erblasser vor seinem Tod behandelt hat, aufgegeben werden, seine Patientenunterlagen über den Erblasser vorzulegen. In einem Fall, in dem die Testierfähigkeit des Erblassers in Rede stand, hat der BGH festgehalten:[49]

Zitat

"Ob und in welchem Umfang der Arzt nach dem Tode des Patienten zum Schweigen verpflichtet ist, hängt (…) in erster Linie von dem Willen des Patienten ab. Hat dieser sich hierüber bei Lebzeiten geäußert, sei es gegenüber dem Arzt oder gegenüber Dritten (vgl. hierzu BGH NJW 1960, 550), dann ist dieser Wille grundsätzlich maßgebend. Lässt sich dagegen eine positive Willensäußerung des Verstorbenen nicht feststellen, dann muss der mutmaßliche Wille des Patienten erforscht, also geprüft werden, ob er die konkrete Offenlegung durch den Arzt mutmaßlich gebilligt oder missbilligt haben würde. Von der erkennbar gewordenen oder zu vermutenden Willensrichtung des Patienten nicht gedeckte Verweigerungsgründe sind sachfremd und daher unbeachtlich. Der Arzt wird den Willen des Patienten in vielen Fällen selbst am besten kennen. Auch aus diesem Grunde ist es sachgerecht, wenn der [beim BGH für Erbsachen zuständige; Anm. des Verf.] VI. Zivilsenat die Hauptverantwortung für die Einhaltung der Schweigepflicht dem Arzt auferlegt hat."

Indessen kann der Arzt, wenn er in einem gerichtlichen Verfahren auf Aufdeckung von Umständen in Anspruch genommen wird, die an sich unter seine Schweigepflicht (fallen oder) fallen können, sich nicht darauf beschränken, die Offenlegung ,aus grundsätzlichen Erwägungen‘ verweigern zu wollen. Vielmehr erwartet der VI. Zivilsenat von dem Arzt in einer solchen Lage die gewissenhafte Erfüllung strenger, ins Einzelne gehender Prüfungspflichten und auch die Darlegung, auf welche Belange des Verstorbenen sich seine Weigerung stützt. Ohne eine derartige Prüfung und Darlegung durch den Arzt wäre die ihm hier eingeräumte weitgehende eigene Entscheidungsbefugnis auch nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht tragbar.“

 

Rz. 41

Ist die Frage der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht streitig, so kann darüber im Zwischenstreit entschieden werden (§§ 387 ff. ZPO ggf. i.V.m. § 30 FamFG). Zwischenurteil bzw. Zwischenbeschluss können in diesem Fall mit der sofortige Beschwerde angefochten werden (§ 387 Abs. 3 ZPO). Ist die Entscheidung einmal rechtskräftig, sind betreffend die gegenständliche Begründung auch die Folgeinstanzen hieran gebunden.[50]

 

Rz. 42

Hohe praktische Bedeutung kommt § 142 ZPO vor allem in folgenden Konstellationen zu:

Bei Erbteilungsklagen ist die Kenntnis über ausgleichungspflichtige Vorempfänge von großer Wichtigkeit (§§ 2050 ff., 1624 BGB). Urkunden sind in aller Regel zuverlässigere Beweismittel als bloße Zeugenaussagen. Daher ist es für eine beweispflichtige Partei von Vorteil, wenn schriftliche Unterlagen, wie z.B. ein Überweisungsbeleg, vorlegt werden können. Dritter kann bspw. ein Bankmitarbeiter sein, der auf elektronisch oder anderweitig hinterlegte Kontodaten zugreifen kann.
Gleiches gilt für anrechnungs- und/oder ausgleichungspflichtige Vorempfänge bei der Pflichtteilsklage (§§ 2315, 2316 BGB).
Bedeutung kommt der Vorschrift auch in Erbenfeststellungsprozessen in Bezug auf die Vorlage von Schriftstücken zu, die Testamentsqualität haben können, z.B. ein an einen Dritten gerichteter eigenhändig geschriebener Brief.
Dies gilt auch für die Patientenkartei eines Arztes in Bezug auf Fragen der Geschäfts- oder Testierfähigkeit, sofern jenem kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
Die Vorlage eigenhändig vom Erblasser verfasster Schriftstücke ist entscheidend bei einem Streit über die Formgültigkeit eines privatschriftlichen Testaments (§ 2247 Abs. 1 BGB) oder für die Erstellung eines grafologischen Gutacht...

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