1. Begriffsbestimmungen

 

Rz. 2

Es muss ein Unfall im öffentlichen Straßenverkehr geschehen sein.

 

Rz. 3

Unfall ist ein plötzliches Ereignis, welches im Zusammenhang mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs steht und einen nicht ganz unerheblichen Schaden verursacht.[2]

 

Rz. 4

Öffentlicher Straßenverkehr ist der der Fortbewegung dienende Verkehr von Fahrzeugen und Fußgängern auf allen Wegen, Plätzen, Durchgängen und Brücken, die jedermann oder wenigstens allgemein bestimmten Gruppen von Benutzern, wenn auch nur vorübergehend oder gegen Gebühr, zur Verfügung steht.[3] Bereits diese Definition zeigt, dass auch Privatwege öffentlich sein können, wenn deren Benutzung durch einen unbestimmbaren oder zahlenmäßig nicht eng begrenzten Personenkreis vom Berechtigten zugelassen wird.[4]

 

Rz. 5

Demgegenüber findet beispielsweise auf einem Werksgelände dann kein öffentlicher Straßenverkehr statt, wenn der Zutritt lediglich Werksangehörigen und Personen mit nur individueller Erlaubnis möglich ist.[5] So kann sich etwa aus einer entsprechenden Beschilderung als "Privat-/Werksgelände", einer Einfriedung des Geländes und einer Zugangsbeschränkung in Gestalt einer Einlasskontrolle ergeben, dass der Verfügungsberechtigte die Allgemeinheit von der Benutzung des Geländes ausschließen will.[6] Wenn aufgrund solcher Maßnahmen nur einem beschränkten Personenkreis wie den Betriebsangehörigen,[7] wie mit einem besonderen Ausweis ausgestatteten Personen[8] oder wie individuell zugelassenen Lieferanten und Abholern,[9] Zutritt zu dem Betriebsgelände gewährt wird, handelt es sich um eine nicht öffentliche Verkehrsfläche. In diesen Fällen ist der Kreis der Berechtigten so eng umschrieben, dass er aus einer unbestimmten Vielzahl möglicher Benutzer ausgesondert ist.[10]

 

Rz. 6

Muster 22.1: Kein Unfall im öffentlichen Straßenverkehr

 

Muster 22.1: Kein Unfall im öffentlichen Straßenverkehr

In dem Ermittlungsverfahren _________________________

gegen _________________________

wegen _________________________

erfolgt zur Sache nach erfolgter Akteneinsicht die nachfolgende Einlassung:

Es kann dahinstehen, ob mein Mandant tatsächlich der verantwortliche Fahrzeugführer zum Zeitpunkt des Unfalls war und sich nach dem behaupteten Unfallereignis unerlaubt vom Unfallort entfernte. Aus der Ermittlungsakte ergibt sich, dass sich der Unfall ereignet hat auf dem Werksgelände des Automobilherstellers D. Das Werksgelände dürfen ausschließlich Werksangehörige befahren oder solche Personen, denen eine individuelle Erlaubnis vom Eigentümer ausgestellt wurde.

Öffentlicher Straßenverkehr ist der der Fortbewegung dienende Verkehr von Fahrzeugen und Fußgängern auf allen Wegen, Plätzen, Durchgängen und Brücken, die jedermann oder wenigstens allgemein bestimmten Gruppen von Benutzern, wenn auch nur vorübergehend oder gegen Gebühr, zur Verfügung steht (Fischer, § 315b Rn 3 m.w.N.; BGH DAR 1969, 593; DAR 2004, 529 (jew. zu § 315b StGB). Freilich können auch Privatgelände "öffentlich" sein. Wenn aber durch diese Maßnahmen nur einem beschränkten Personenkreis wie den Betriebsangehörigen, wie mit einem besonderen Ausweis ausgestatteten Personen oder wie individuell zugelassenen Lieferanten und Abholern, Zutritt zu dem Betriebsgelände gewährt wird, handelt es sich um eine nicht öffentliche Verkehrsfläche (OLG Braunschweig, Urt. v. 8.5.1964 – Ss 87/64 – juris; BGH MDR 1963, 41; OLG Köln DAR 2002, 417).

Der Unfall ereignete sich folglich nicht im öffentlichen Straßenverkehr. Der objektive Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB ist dementsprechend nicht erfüllt. Ich beantrage daher, das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.

Zum öffentlichen Straßenverkehr soll indes auch der durch den Verkehrsteilnehmer selbstständig befahrene Bereich innerhalb einer Waschstraße gehören. Maßgeblich sei, ob das Fahrzeug aus eigener Kraft und nicht lediglich mit den zur Anlage gehörenden Vorrichtungen bewegt wird.[11]

[2] BGH NJW 1972, 1960; BayObLG NJW 1980, 299; OLG Hamm NJW 1982, 2456.
[3] Fischer, § 315b Rn 3 m.w.N.; BGH DAR 1969, 593; DAR 2004, 529 (jew. zu § 315b StGB).
[4] BGHSt 16, 7; DAR 2004, 399; zfs 2013, 523; LG Krefeld VRS 70, 12.
[6] Vgl. Hünnekens/Schulte, Öffentlicher Verkehr auf Betriebs- und Werksgelände, BB 1997, 533, 534 f., zitiert nach BGH DAR 2004, 399.
[7] OLG Braunschweig, Urt. v. 8.5.1964 – Ss 87/64 – juris.
[8] BGH MDR 1963, 41.
[10] BGHSt 16, 7.
[11] OLG Oldenburg zfs 2018, 533; vgl. auch AG Erfurt, Beschl. v. 6.5.2015 – 982 Js 14417/13 47 Cs: kein öffentlicher Straßenverkehr.

2. Teleologische Reduktion: Gefahrenzusammenhang

 

Rz. 7

Allgemein wird zudem eine Art teleologische Reduktion des § 142 StGB dahin vorgenommen, dass sich bei dem Verkehrsunfall gerade die Gefahr des Straßenverkehrs verwirklicht haben muss.[12] Es muss sich ein verkehrstypisches Unfallrisiko realisiert haben. Die reine Beteiligung eines Fahrzeugs und der Umstand, dass die Tat im Straßenverkehr begangen wurde, genügen für sich alleine nicht. Dementsprechend realisiert sich gerade kein verkehrstypisches ...

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