Rz. 144

Gemeinnützige Körperschaften müssen ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke, für die grundsätzlich sämtliche Mittel zeitnah zu verwenden sind, selbstlos, ausschließlich und unmittelbar verfolgen. Indes hat der Gesetzgeber in § 58 AO Ausnahmefälle geregelt, in denen eine gemeinnützige Körperschaft ihre Mittel abweichend von diesen Grundsätzen steuerunschädlich verwenden kann.[242]

[242] Reinke/Schmidl, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 5, § 98 Rn 82. Zur Rücklagenbildung vgl. Richter, Stiftungsrecht, § 27 Rn 68.

aa) Rücklagenbildung (§ 62 AO)

 

Rz. 145

Aus dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung folgt, dass die Admassierung von Vermögenserträgen nicht unbegrenzt zulässig ist.[243] Eine steuerlich unschädliche Rücklagenbildung gewährleistet § 62 AO. Daneben sind u.U. auch Rücklagen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und im Bereich der Vermögensverwaltung zulässig. Zu beachten ist, dass der abgabenrechtliche Begriff der Rücklagenbildung nicht mit den Rücklagenbegriffen in den Handels- und Steuerbilanzen identisch ist. Der Rücklagenbegriff im Gemeinnützigkeitsrecht wird für das Ansammeln von Mitteln verwendet und ist grundsätzlich weit reichender.[244]

 

Rz. 146

Eine steuerbegünstigte Körperschaft kann in einem bestimmten Rahmen Mittel einer freien Rücklage zuführen (sog. allgemeine Leistungsrücklage), vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO.[245] Dies ermöglicht die Thesaurierung von Vermögenserträgen zur Sicherung oder Steigerung der Ertragskraft von gemeinnützigen Körperschaften. Sie ist weder an eine bestimmte Maßnahme gebunden noch unterliegt sie der zeitnahen Mittelverwendung.[246] In ihrer Höhe wird sie allerdings begrenzt. Zum einen darf höchstens ein Drittel des Überschusses der Vermögensverwaltung der freien Rücklage zugeführt werden. Daneben können zudem 10 Prozent der sonst noch nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel in die Rücklage eingestellt werden.[247]

 

Rz. 147

Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO ist die Bildung einer Rücklage zulässig, um die Beteiligungsquote bei der Kapitalerhöhung des Beteiligungsunternehmens zu wahren.[248] Wichtigster Anwendungsfall sind Kapitalerhöhungen bei Beteiligungen, die in der Vermögensverwaltung einer gemeinnützigen Körperschaft gehalten werden.

 

Rz. 148

Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO ist eine steuerbegünstigte Körperschaft berechtigt, ihre Mittel ganz oder teilweise einer Projektrücklage zuzuführen, wenn sie ansonsten ihre steuerbegünstigten Zwecke nicht nachhaltig erfüllen könnte.[249] Demnach können Mittel angesammelt werden, mit denen zukünftige konkrete zweckverwirklichende Projekte durchgeführt werden sollen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Stiftung die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke ohne die Rücklagenbildung nicht nachhaltig erfüllen könnte. Das geplante Projekt muss bereits konkret geplant sein und darf nicht aus den laufenden Einnahmen finanziert werden können.[250]

 

Rz. 149

Daneben besteht die Möglichkeit, Betriebsmittelrücklagen für periodisch wiederkehrende Ausgaben und Verpflichtungen gegenüber Dritten wie Löhne, Gehälter und Mieten in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeit[251] sowie Wiederbeschaffungsrücklagen in der Höhe, die dem jährlichen Wertverzehr des später zu ersetzenden Wirtschaftsgutes entspricht,[252] zu bilden, vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO.

[243] Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen, Kap. C Rn 83.
[244] Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen, Kap. C Rn 134.
[245] Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen, Kap. C Rn 142 ff.
[246] Apitz, StBp 2004, 153, 158.
[247] Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 8 Rn 96 ff.; Stahlschmidt, FR 2002, 1109, 1111.
[248] Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen, Kap. C Rn 140.
[249] Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 8 Rn 90 ff.
[250] Vgl. Stahlschmidt, FR 2002, 1109, 1110.
[251] BMF-Schreiben v. 14.12.1994, BStBl I 1995, 40; AEAO Nr. 4 S. 5 zu § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO.

bb) Ausnahmen zum Grundsatz der Unmittelbarkeit

 

Rz. 150

Das Gesetz nimmt eine Anzahl von Fällen ausdrücklich vom Grundsatz der Unmittelbarkeit aus. Die wichtigsten Ausnahmen betreffen vor allem die Überlassung von Mitteln, Arbeitskräften und Räumen als zulässige Nebentätigkeiten, vgl. § 58 Nr. 1 bis 5 AO.[253] Derartige Zuwendungen müssen zu steuerbegünstigten Zwecken erfolgen und es muss sichergestellt werden, dass sie nicht zweckwidrig verwendet werden.

 

Rz. 151

Eine Körperschaft kann ihre steuerbegünstigten Zwecke darauf beschränken, einer anderen Körperschaft oder juristischen Person des öffentlichen Rechts Mittel für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuzuwenden. Nach § 58 Nr. 1 AO wird die Steuervergünstigung dadurch nicht ausgeschlossen. Die Regelung ist Grundlage dafür, dass auch sogenannte Förderorganisationen und Spendensammelstiftungen und -vereine steuerlich begünstigt sein können.[254]

 

Rz. 152

Voraussetzung für die Mittelzuwendung an eine bes...

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