Rz. 125

Der Begriff der Selbstlosigkeit, der gleichbedeutend mit Uneigennützigkeit ist, wird im Gesetz vor allem negativ definiert.[208] Gemäß § 55 Abs. 1 AO erfolgt eine Förderung oder Unterstützung selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Diese Formulierung schließt somit ein gewisses wirtschaftliches oder Eigeninteresse nicht von vornherein aus. So betreiben die meisten Sportler bspw. ihren Sport zum eigenen Vergnügen. Der Sport ist trotzdem gemeinnützig, weil allein die materiell bewertbare Eigennützigkeit von der Begünstigung ausgeschlossen werden soll. Ideeller Eigennutz steht der Gemeinnützigkeit grundsätzlich nicht entgegen.[209]

 

Rz. 126

Steuerschädlich ist es, wenn die Körperschaft für sich selbst oder zugunsten ihrer Mitglieder – bei der Stiftung zugunsten des Stifters oder seiner Erben[210] – eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.[211] Der Zweck einer Körperschaft ist eigenwirtschaftlich, wenn die Tätigkeit in "erster Linie" darauf gerichtet ist, Vermögen und Einkünfte zu mehren.[212] In diesen Fällen entfällt die Steuerbegünstigung für die Körperschaft aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit insgesamt.

 

Rz. 127

Nicht nur eigennütziges, sondern auch fremdnütziges Verhalten kann gegen das Gebot der Drittnützigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO verstoßen. Von einem derartigen Verstoß ist etwa dann auszugehen, wenn eine gemeinnützige Körperschaft einen Vertragspartner dadurch begünstigt, dass er diesem mehr an wirtschaftlichen Vorteilen zuwendet, als es der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung entspricht.[213]

 

Rz. 128

Nach der Rechtsprechung des BFH verfolgt eine Körperschaft nicht allein deshalb in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, weil sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, der ihr gesamtes oder nahezu gesamtes Vermögen ausmacht. Entscheidend für eine Steuerbegünstigung ist vielmehr, dass sich die wirtschaftliche Tätigkeit dem steuerbegünstigten Hauptzweck "funktional" unterordnet.[214]

 

Rz. 129

Grundsätzlich müssen sämtliche Mittel der Körperschaft für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden, vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO.[215] Mittel i.S.d. Abgabenordnung sind alle Vermögenswerte, die im Eigentum und in der Verfügungsmacht der Körperschaft stehen und zur Erfüllung des Satzungszwecks geeignet sind.[216] Dazu gehören neben Spenden und u.U. Mitgliedsbeiträgen auch Gewinne aus Zweckbetrieben und steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben sowie Überschüsse aus der Vermögensverwaltung.[217] Hingegen gehört das Stiftungskapital einer Stiftung nicht zu den zu verwendenden Mitteln. Sämtliche Einnahmen und entnahmefähige Gewinne sind somit grundsätzlich in den ideellen Bereich zu transferieren und für den Satzungszweck zu verwenden.[218]

 

Rz. 130

Die Mitglieder und Gesellschafter einer Körperschaft dürfen nur im Rahmen der Satzung gefördert werden.[219] Gewinnanteile und sonstige Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft, welche die Mitglieder in ihrer Eigenschaft als solche erhalten, führen zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit, vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO.[220]

 

Rz. 131

Die Körperschaft darf gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO niemanden durch zweckfremde Ausgaben oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen oder Vorteile zuwenden, ohne eine entsprechende äquivalente Gegenleistung zu erhalten.[221] Die Angemessenheit von Vergütungen bemisst sich danach, was für eine vergleichbare Tätigkeit oder Leistung üblicherweise von nicht steuerbegünstigten Einrichtungen gezahlt wird.[222] Nach neuerer Rechtsprechung des BFH ist durch einen Fremdvergleich unter Berücksichtigung der Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung zu ermitteln, ob die durch die gemeinnützige Stiftung gewährte Vergütung unverhältnismäßig hoch ist. Maßstab des externen Fremdvergleichs ist nach dem BFH die für vergleichbare Tätigkeiten auch von Wirtschaftsunternehmen gewährten Vergütungen. Abgestellt wird auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.[223] Das Begünstigungsverbot enthält kein Gebot zur sparsamen und effektiven Mittelverwendung, sondern verbietet nur unverhältnismäßig hohe Vergütungen, bei denen zu Lasten der gemeinnützigen Körperschaft ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht.[224] Auch Einnahmeverzichte, wie z.B. gewährte Preisvorteile, können schädliche Ausgaben sein.[225]

 

Rz. 132

Die allgemeinen Verwaltungsausgaben dürfen zum Erhalt der Steuervergünstigung einen angemessenen Rahmen nicht übersteigen.[226] Zu den Ausgaben für die Verwaltung der Körperschaft zählen bspw. die laufenden Aufwendungen für das Verwaltungspersonal, Reisekosten, Bürobedarf, Beratungsausgaben, die Verwaltungseinrichtungen und -gebäude.[227]

 

Rz. 133

Es ist grundsätzlich nicht zulässig, Mittel des ideellen Bereichs, Erträge aus der Vermögensverwaltung und das entsprechende Vermögen zum Ausgleich eines Verlusts des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zu verwenden.[228]

[208] Zu den Definitionsversuch...

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