A. Vorbemerkung

 

Rz. 1

Die Komplexität der Unternehmensnachfolge steigt mit der Zahl der Entscheider. Vereinfachend wird häufig nur die Perspektive des Unternehmers als Übergeber eingenommen. Im besseren Fall wird sie um die des Nachfolgers ergänzt. Schon bei zwei Akteuren wird klar, dass es sich um aufeinander abgestimmte Entscheidungen handelt bzw. handeln sollte.

In vielen Familienunternehmen entscheiden weitere Personen über die Unternehmensnachfolge: vielleicht mehr als ein geschäftsführender Gesellschafter, häufig mehr als ein Gesellschafter sowie die Geschäftsführer und Gesellschafter in spe. Sie treffen die Entscheidungen aus verschiedenen Rollen heraus: als Väter/Mütter, Geschwister, Führungskräfte, Vermögensinhaber uvm.

 

Rz. 2

Für die Koordination hat sich die Familienstrategie bewährt. Sie ist das geeignete Instrument, um in die Bestandsaufnahme und Gestaltung viele Blickwinkel einzubeziehen. Mehr noch: Sie schafft den Rahmen für eine sachliche und zielgerichtete Kommunikation. In dem gemeinsamen und strukturierten Austausch formt sich oft die Sicht auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft neu. Das macht den Weg frei für sachgerechte Lösungen. Im Mittelpunkt stehen strategische Entscheidungen für Familie und Unternehmen. Sie sind grundlegend für die Einzelentscheidungen die später in Verträgen und Testamenten festgehalten werden.

 

Rz. 3

Für die Versachlichung ist es hilfreich, charakteristische Herausforderungen von Familienunternehmen zu verstehen. Viele Konflikte werden persönlich genommen, manche Lösungen tabuisiert, weil Kenntnisse zu typischen Paradoxien und Spannungsfeldern fehlen. Governance-Strukturen werden nicht auf Voraussetzungen wie stimmige Führungsmodelle, Kooperationsfähigkeit oder Vertrauen hin überprüft. Im Folgenden werden daher auch Grundlagen thematisiert. Sie gehören zum Referenzsystem der Familienstrategie.

B. Familienunternehmen: Familie und Unternehmen

I. Auf die Familie kommt es an

 

Rz. 4

Es ist klug, bei der Gestaltung der Nachfolge in Familienunternehmen das Augenmerk auf die Familie zu richten. Ob das Gewollte nämlich erreicht wird, hängt wesentlich von ihr ab. Die Familie schafft die Voraussetzungen, und sie setzt um. Zu einem erheblichen Teil liegen hier die Förderung, Auswahl und Unterstützung der Nachfolger. Hier werden Muster geprägt, die die Zusammenarbeit konstruktiv oder destruktiv machen. Hier werden Maßstäbe gesetzt, die Geschäftsgebaren als solide oder riskant einstufen. Hier werden Vertrauen und Kommunikation praktiziert – oder auch nicht.

Es hängt auch von der Familie ab, mit welcher zeitlichen Perspektive die Nachfolgefrage angepackt wird: Geht die Familie die Nachfolge eher mit einer kurzfristigen Perspektive an, wird sie sich auf die operative Handlungsfähigkeit konzentrieren. Die ist und bleibt in jeder Generation ein wichtiges Gestaltungsziel. Sie ist aber nicht alles. Auf mittlere Sicht geht es um Stabilität – insbesondere um Stabilität an der Schnittstelle von Unternehmen und Familie. Und langfristig bemisst sich alles am Fortbestand von Familie und Unternehmen: Wie kann die Familie Zusammenhalt bewahren? Wie sichert sie den Erhalt ihres Unternehmens bzw. Vermögens über Generationen?

 

Rz. 5

Als Familienunternehmen gelten "Unternehmen, deren dominanter Inhaber eine Familie mit einem generationsübergreifenden Unternehmerverständnis ist".[1] Kennzeichnend sind also Eigentum, Einfluss und Ausrichtung auf mehrere Generationen. Diese drei Kriterien gelten auch bei einer Erweiterung des Begriffs Familienunternehmen auf Familienportfolio oder Familienvermögen.

Im Folgenden wird nicht zwischen Familienunternehmen und Familienvermögen unterschieden. Dies dient der Vereinfachung. In der Praxis ist eine genaue Bestandsaufnahme geboten. Manche Familien betrachten unterschiedliche (gedanklich) gebündelte Vermögenswerte als ihr Familienunternehmen. Andere lassen wesentliche Vermögenswerte außer Betracht und fokussieren auf ein Unternehmen, das Ursprung eines inzwischen diversifizierten Familienvermögens ist.

Wie die Familie ihren Einfluss auf das Unternehmen oder das Vermögen ausübt, ist das Ergebnis eines mehr oder weniger reflektierten Prozesses. Die Nachfolge ist Anlass und Gelegenheit, die Einflussnahme bewusst zu gestalten.

Wie will und kann die Unternehmerfamilie künftig – während des Generationswechsels und in der nächsten Generation – Führung wahrnehmen? Wer wird beteiligt? Inwieweit wird sie den Einfluss direkt, d.h. durch Personen, durch Familienmitglieder geltend machen, insbesondere in der Geschäftsführung oder im Beirat? Ist sie bereit und fähig zu kooperieren? Welche Strukturen sind förderlich? Kurz: Mit welcher Nachfolgelösung kann sie ihre Ziele für die Familie und ihre Ziele für das Unternehmen bzw. Vermögen am besten erreichen?

 

Rz. 6

Aber nicht nur das Wie der Nachfolge ist zu klären. Der sich im Generationswechsel neu formende Kreis ist zuvor gefordert, sich die gemeinsame Perspektive zu vergegenwärtigen: Was will die Familie gemeinsam erreichen?

Ob die Unternehmerfamilie tragfähige Antworten auf diese Fragen geben und umsetzen kann, hängt nicht zuletzt...

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