a) Keine Geltung der Zeitschranke

 

Rz. 333

Der im Abänderungsverfahren bzgl. Einer Urkunde maßgebliche Tatsachenvortrag unterliegt nicht der Zeitschranke des § 238 Abs. 2 FamFG. Auch das Rückwirkungsverbot des § 238 Abs. 3 FamFG ist nicht entsprechend anwendbar ist.[382]

Daher kann ein gerichtlicher Vergleich rückwirkend kann auch schon für die Zeit vor Erhebung des Abänderungsantrags ab dem Zeitpunkt abgeändert werden, in dem materiell-rechtlich ein Wegfall der Geschäftsgrundlage eingetreten ist, abgeändert werden, weil er keinen Vertrauenstatbestand schafft, der einem rechtskräftigen Beschluss gleich käme.
Damit kann eine Abänderung jedenfalls innerhalb der titulierten Zeit ab Änderung der Verhältnisse vorgenommen werden.[383]
Allerdings müssen bei einer Mehrforderung die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorliegen.[384]
Dagegen ist es bei einem Herabsetzungsverlangen unerheblich, ob die Voraussetzungen des § 1613 BGB für diesen Zeitraum vorgelegen haben oder nicht.[385]
Der Schutz des Gläubigers vor einer Verpflichtung zur Rückzahlung von Unterhalt für die Vergangenheit wird durch § 818 Abs. 3 BGB hinreichend gewährleistet.[386]
 

Rz. 334

 

Praxistipp:

Gerade für denjenigen Verfahrensbeteiligten, der bei Vergleichsabschluss damit rechnen muss, im Falle einer späteren Abänderung bei einschränkungsloser Rückwirkung eher benachteiligt zu werden, ist es regelmäßig empfehlenswert, eine Geltung der Zeitschranke ausdrücklich zu vereinbaren.
Formulierungsvorschlag: "Dieser Vergleich darf nur für die Zeit nach Stellung des Abänderungsantrags abgeändert werden."
Eine solche Regelung ist empfehlenswert, später vom Mandanten keine Vorwürfe gemacht werden können, er sei nicht hinreichend über die Möglichkeit der rückwirkenden Abänderung aufgeklärt worden.[387]
[382] Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 2020, § 239 Rn 37; Hammermann in Johannsen/Henrich, 7. Aufl. 2020, § 239 Rn 48.
[383] BGH NJW 1985, 64, 66; OLG Hamm NJOZ 2012, 1244, 1245.
[387] Born, NZFam 2014, 443, 447.

b) Risiken

 

Rz. 335

Die Einleitung eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens ohne vorherige Aufforderung des Gegners zur freiwilligen Abänderung des Titels kann außerdem für den Antragsteller negative Folgen haben

Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit[388]
sofortiges Anerkenntnis des Verfahrensgegners mit der negativen Kostenfolge des § 243 Nr. 4 FamFG.[389]
 

Rz. 336

OLG Hamm, Beschl. v. 2.2.2011 – II-8 WF 262/10[390]

Zitat

Denn die Antragsgegnerin hat jedenfalls im Sinne von § 93 ZPO Veranlassung zur Klage gegeben, als sie auf die außergerichtliche Aufforderung des Antragstellers auf Abänderung des titulierten Unterhalts vom 28.5.2010 eine Herabsetzung mit Schreiben vom 7.6.2010 ablehnte.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.8.2011 – 17 UF 194/11[391]

Zitat

1. Die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses liegen nicht vor, wenn der Gläubiger eines titulierten Unterhalts dem Antrag des Unterhaltsschuldners im Verfahrenskostenhilfeprüfverfahren auf Verfahrenskostenhilfe für einen Vollstreckungsgegenantrag zunächst entgegentrat und erst nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und Zustellung der Klage ein Anerkenntnis zum Verzicht auf die Rechte aus dem Unterhaltstitel abgab.

2. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Unterhaltsschuldner vor Stellung des Verfahrenskostenhilfegesuchs den Unterhaltsgläubiger nicht aufgefordert hat, auf die Rechte aus dem titulierten Unterhaltsanspruch zu verzichten und den Titel herauszugeben, wenn gleichzeitig aufgrund des bestehenden Unterhaltstitels ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt wurde.

OLG Hamm, Beschl. v. 27.3.2012 – II-9 WF 33/12[392]

Zitat

Mutwilligkeit bei der gerichtlichen Geltendmachung von Unterhalt

Ein gerichtlicher Zahlungsantrag auf Kindesunterhalt ist nach einer erfolglosen Titulierungsaufforderung mutwillig, wenn der Kindesunterhalt freiwillig gezahlt und dem Verpflichteten keine vollständige Auskunft erteilt bzw. geforderte Belege nicht vorgelegt wurden.

Entscheidungsinhalt

Die Verfahrenskostenhilfe wurde zutreffend versagt. Allerdings scheitert die Bewilligung nicht an den fehlenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, sondern daran, dass das Vorgehen der Antragstellerin mutwillig erscheint. Das ist bei einer Leistungsklage auf den Kindesunterhalt zum Beispiel dann der Fall, wenn der Kindesunterhalt ganz oder teilweise freiwillig gezahlt wird und der Berechtigte nicht versucht, den Verpflichteten insoweit zu einer kostenfreien Titulierung in einer Jugendamtsurkunde gem. § 60 SGB VIII zu veranlassen, sondern unmittelbar den Rechtsweg vor dem Familiengericht beschreitet und damit Kosten verursacht, die bei vernünftiger Betrachtung nicht notwendig gewesen wären (vgl. OLG Hamm FamRZ 2008, 1260).

Der Antragsgegner hat den begehrten Kindesunterhalt während des gesamten Anspruchszeitraums 1 freiwillig gezahlt.

Zwar hat die Antragstellerin vorgerichtlich Ausk...

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