Rz. 236

Mit einem Abänderungsantrag soll ein rechtskräftiger Titel abgeändert werden. Die strengen Voraussetzungen des § 238 FamFG gelten aber nur, soweit die Rechtskraft des früheren gerichtlichen Titels entgegensteht.

Problematisch ist dies, wenn in der vorhergehenden Entscheidung der Antrag ganz oder teilweise abgewiesen wurde.

a) Vollständige Abweisung eines Leistungsantrags im vorangegangenen Verfahren

 

Rz. 237

Wurde im vorangegangenen Verfahren kein zukünftiger Unterhalt zugesprochen, sondern der damalige Zahlungsantrag vollständig abgewiesen, ist das erneute Unterhaltsbegehren des Berechtigten durch neuen Leistungsantrag durchzusetzen. Denn ein solcher – z.B. wegen fehlender Bedürftigkeit oder Leistungsfähigkeit ergangener – abweisender Beschluss hat keine Bindungswirkung für die Zukunft.[257]

 

Rz. 238

Dieser neue Leistungsantrag ist nicht an die Voraussetzungen des § 238 gebunden, denn die Abweisung des die Zukunft betreffenden Leistungsantrages stellt allein auf die aktuellen Verhältnisse ab, enthält also keine Prognose für die zukünftige Tatsachen- und Rechtslage. Fehlt es – infolge Antragsabweisung – an diesem Anspruch deshalb, weil der Schuldner nicht leistungsfähig oder der Gläubiger nicht bedürftig ist, liegt keine Prognose im Sinne einer vorausschauenden Würdigung vor.[258] Daher kommt dem abweisenden Titel keine Rechtskraftwirkung zu.[259]

 

Rz. 239

Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen der Abweisung eines Antrags auf künftigen Unterhalt wegen fehlender Bedürftigkeit für die Zeit ab der letzten mündlichen Verhandlung gleichzeitig rückständiger Unterhalt zugesprochen worden ist.[260]

[257] Born, NZFam 2014, 443, 445.
[258] Born, NZFam 2014, 394. 395 m.w.N.
[259] BGH FamRB 2013, 238 mit Anm. Schneider; BGH FamRZ 2005, 101, 102.
[260] Born, NZFam 2014, 394, 397 m.w.N.

b) Abweisung eines Erhöhungsantrages im vorangegangenen Verfahren

 

Rz. 240

Bei einem Erhöhungsverlangen, das sich gegen einen Beschluss richtet, mit dem ein früheres Erhöhungsverlangen abgelehnt wurde, handelt es sich nicht um eine Abänderung.[261]

c) Befristete Festsetzung des Unterhaltes

 

Rz. 241

Erschöpft sich eine gerichtliche Entscheidung über den Unterhalt auf die Festsetzung des Unterhaltsanspruchs für einen begrenzten Zeitraum und entfaltet die Entscheidung somit keine in die Zukunft wirkende Rechtskraft, sind Einwendungen der Parteien zu veränderten rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die den streitgegenständlichen Zeitraum nicht betroffen hatten, nicht präkludiert.[262]

 

Rz. 242

Dies gilt auch dann, wenn in dem ursprünglichen Titel ein Unterhaltsrückstand zugesprochen wurde.[263] Es handelt sich auch dann um einen Leistungsantrag und nicht um ein Abänderungsverfahren, wenn Gegenstand des Verfahrens eine über einen freiwillig gezahlten Betrag hinausgehende Mehrforderung war und dieser Mehrforderungsantrag abgewiesen wurde. Auch wenn damit praktisch ein Unterhaltsanspruch in Höhe der freiwilligen Zahlung bejaht oder unterstellt wird, wird dies von der verfahrensrechtlichen Wirkung des abweisenden Beschlusses nicht umfasst.[264]

d) Festsetzung des laufenden Unterhaltes mit Teilabweisung

 

Rz. 243

Wurde der vom Unterhaltsberechtigten im ersten Verfahren geltend gemachte laufende (zukünftige) Unterhalt nur teilweise zugesprochen, so wurde damit der weitergehende Antrag rechtskräftig abgewiesen. Bei einer späteren Abänderung gilt § 238.[265] Gleichgültig ist, ob der Berechtigte eine Erhöhung oder der Verpflichtete eine Herabsetzung des titulierten Unterhaltes erreichen will.

[265] BGH FamRZ 1990, 863; 1995, 221.

e) Abänderungsverfahren bei einer Anerkenntnisentscheidung

 

Rz. 244

Auch die materielle Rechtskraft einer Anerkenntnisentscheidung führt grundsätzlich zur Bindungswirkung und erlaubt deshalb weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts, noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im vorausgegangenen Rechtsstreit eine Bewertung erfahren haben.[266] Jedoch können nur die der Anerkenntnisentscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände – und nicht die gesamte damalige Antragsbegründung – dafür maßgebend sein, ob sich nachträglich eine Veränderung ergeben hat. Lässt sich die Berechnung des titulierten Unterhalts unter Zugrundelegung der verschiedenen Faktoren nicht nachvollziehen und ist deshalb eine Anpassung der Anerkenntnisentscheidung an zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse nicht möglich, so ist der geschuldete Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu berechnen.[267]

 

Rz. 245

 

Praxistipp:

Sofern ein Anerkenntnisbeschluss geändert werden soll, ist auf die zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.
Unerheblich sind deshalb die Beweggründe des Anerkennenden oder das Vorbringen im Vorprozess.
Maßgeblich ist allein, ob nachträglich eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist.[268]
Die Darlegungslast dafür hat der Antragsteller.[269]
[266] BGH FamRZ 2007, 1459; Johannsen/Henrich/Hammermann, § 238 Rn 183.
[268] BGH FamRZ 2007, 1460.

f) Abänderungsverfahren bei der Versäumnisentscheidung

 

Rz. 246

Auch bei der ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge