Rz. 676

Die materiell-rechtlichen Regelungen in Gewaltschutzsachen finden sich in den §§ 1 und 2 des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG) vom 11.12.2001 (BGBl I S. 3513).

Gem. § 1 Abs. 1 GewSchG können die Gerichte auf Antrag einer verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen treffen. Voraussetzung dafür ist, dass eine andere Person den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit dieser Person verletzt hat. Abs. 2 erweiterte diese Möglichkeit für Fälle, in denen entsprechende Drohungen erfolgt sind oder in die Wohnung oder in das befriedete Besitztum der verletzten Person eingedrungen wurde; außerdem auch auf Fälle des sog. "Stalkings".

 

Rz. 677

Das Gericht kann in derartigen Fällen anordnen, dass der Täter es – soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist – unterlässt,

die Wohnung der verletzten Person zu betreten
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten
zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen
Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen.
 

Rz. 678

Die Verpflichtung eines Gewalttäters zur Aufgabe einer von ihm und dem Opfer nicht gemeinsam genutzten Wohnung kann ebenfalls Gegenstand und Inhalt einer Anordnung nach § 1 GewSchG sein, wenn sich eine solche Anordnung als rechtlich nicht zu beanstandendes Ergebnis der einzelfallbezogenen Abwägung der kollidierenden Grundrechte von Gewaltopfer und -täter als verhältnismäßig darstellt.[392]

 

Rz. 679

Ein berechtigtes Interesse des Täters an einem Zusammentreffen mit dem Opfer kann bspw. in den Fällen zu bejahen sein, in denen Täter und Opfer gemeinsame minderjährige Kinder haben, mit denen der Täter sein Umgangsrecht ausübte. In derartigen Fällen ist durch eine entsprechende Ausgestaltung der Anordnungen einerseits dem Schutzbedürfnis des Opfers Genüge zu tun, andererseits aber auch zu gewährleisten, dass der Täter den Umgang mit den Kindern ausüben kann.

 

Rz. 680

§ 2 GewSchG regelt, dass bei Taten nach § 1 die verletzte Person die Überlassung einer gemeinsam mit dem Täter benutzten Wohnung zur alleinigen Benutzung verlangen kann. Liegt eine vollendete Verletzungshandlung vor, ergibt sich ein unmittelbarer Anspruch auf Überlassung der Wohnung, liegt "nur" eine widerrechtliche Drohung mit einer Verletzungshandlung vor, muss die Wohnungsüberlassung erforderlich sein, um eine unbillige Härte zu vermeiden (§ 2 Abs. 6 GewSchG). Das Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte ist entsprechend der Regelung in § 1361b BGB zu interpretieren. Dementsprechend kann eine unbillige Härte insbesondere dann vorliegen, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist.

 

Rz. 681

In den Fällen, in denen Täter und Opfer entweder gemeinschaftlich Eigentümer oder gemeinschaftlich Mieter der Wohnung sind oder aufgrund eines anderen Rechtsverhältnisses gemeinsam an der Wohnung berechtigt sind, ist gem. § 2 Abs. 2 GewSchG die Wohnungsüberlassungsdauer unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zu befristen, wobei eine Höchstdauer im Gesetz nicht vorgesehen ist. Im Regelfall ist die Frist deshalb so zu bemessen, dass während ihrer Dauer eine endgültige Regelung ergehen kann.

 

Rz. 682

In den Fällen, in denen der Täter alleine oder mit einem Dritten an der Wohnung berechtigt ist, ist die Dauer der Wohnungsüberlassung an das Opfer auf höchstens sechs Monate zu befristen. Diese Frist kann bei Vorliegen besonderer Ausnahmefällen auf weitere sechs Monate, insgesamt also höchstens ein Jahr, verlängert werden, wenn die Belange des Täters oder eines anderen berechtigten Dritten nicht überwiegen.

 

Rz. 683

Eine Befristung der Überlassung kommt dann nicht in Betracht, wenn das Opfer alleine oder mit einem Dritten an der Wohnung berechtigt ist.

 

Rz. 684

Nur unter engen und im Gesetz abschließend aufgezählten Voraussetzungen ist der Anspruch auf die Überlassung der Wohnung an das Opfer ausgeschlossen:

bei fehlender Wiederholungsgefahr; hier liegt die Beweislast im Übrigen bei dem Täter, die Gerichte setzen hier sehr hohe Hürden,
bei Fristablauf; das Opfer muss innerhalb von drei Monaten nach der Tat gegenüber dem Täter schriftlich die Überlassung der Wohnung verlangen, wobei ein Antrag nach § 2 GewSchG als Überlassungsverlangen angesehen wird,
bei Anwendung der Härteklausel des § 2 Abs. 3 Nr. 3 GewSchG; also dann, wenn auf Seiten des Täters schwerwiegende Belange der Wohnungszuweisung an das Opfer entgegenstehen, bspw. eine Behinderung oder schwere Erkrankung des Täters, die den Täter auf die Benutzung gerade dieser Wohnung angewiesen sein lassen.
 

Rz. 685

Gem. § 2 Abs. 5 GewSchG kann der Täter von dem Opfer die Zahlung einer Nutzungsvergütung verlangen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dies dürfte regelmäßig der Fall sein, wenn der Täter ein auf dem Mietvertrag oder einer ding...

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