Rz. 880

Untersagt ist nicht nur eine Ungleichbehandlung wegen hohen Alters, sondern jede Anknüpfung an das Alter, sofern sie nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gestattet ist. Als primäres Gemeinschaftsrecht wirkt der Grundsatz des Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters daher unmittelbar horizontal, also auch zwischen Privaten (Mangolt-Urt. v. EuGH v. 22.11.2005, NZA 2005, 1345). § 622 Abs. 2 S. 2 BGB verstößt daher gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, niedergelegt u.a. in der Altersdiskriminierung-RL 2000/78/EG des Rates v. 27.11.2000 (LAG Kiel v. 28.5.2008, DB 2008, 1976), da der Zweck der Norm darauf beschränkt ist, jüngeren Arbeitnehmern den Vorteil der verlängerten Kündigungsfrist vorzuenthalten. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist wegen Verstoßes gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nicht mehr anzuwenden.

 

Rz. 881

Eine Kündigung, die hauptsächlich aus dem Grund erfolgt, dass sich eine Arbeitnehmerin in einem vorgerückten Stadium einer In-Vitro-Fertilisation befindet, verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen (EuGH v. 26.2.2008 – C-506/06).

 

Rz. 882

Ob und inwieweit der Grundsatz der Gleichbehandlung allgemein im Kündigungsrecht Geltung beansprucht, ist bisher nicht abschließend geklärt. Nach einer weitverbreiteten Ansicht findet der Gleichbehandlungsgrundsatz im Kündigungsrecht keine Anwendung (so etwa KR/Becker, § 1 KSchG Rn 153; Hueck-Nipperdey, ArbR, § 48 IV 5). Das BAG lehnte bislang die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich des Kündigungsrechtes als zusätzlichen Unwirksamkeitsgrund ab. Er kann allerdings mittelbare Auswirkung im Bereich der Interessenabwägung haben, wenn der Arbeitgeber bei gleichartigen Pflichtverletzungen nicht allen beteiligten Arbeitnehmern kündigt und daraus gefolgert werden kann, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch mit den gekündigten Arbeitnehmern zuzumuten ist (BAG v. 28.4.1982; BAG v. 28.2.1982, EzA § 2 KSchG Nr. 4; BAG v. 22.2.1979, DB 1979, 1659).

 

Rz. 883

Nach einer a.A. ist der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht nur im Kündigungsrecht i.R.d. Interessenabwägung anzuwenden, sondern stellt ein selbstständiges Kündigungsverbot dar, sodass die Frist des § 4 KSchG nicht eingehalten zu werden braucht (vgl. grundlegend LAG Thüringen v. 28.9.1993, § 620 BGB Gleichbehandlung Entsch. Nr. 1).

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