Rz. 62

Sofern sich der Arbeitnehmer jedoch dazu entschließt, gegen die Abmahnung vorzugehen, kann der Arbeitnehmer gerichtlich die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen verlangen (BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 = DB 2002, 1507). Bei diesem Anspruch handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Arbeitnehmers, so dass dem Betriebsrat kein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines Betriebsratsmitgliedes zusteht (BAG v. 4.12.2013 – 7 ABR 7/12, juris).

(1) Klageantrag

 

Rz. 63

Zur Disposition stehen Feststellungs- oder Leistungsantrag auf Entfernung und Rücknahme der Abmahnung. Im Fall einer schriftlichen Abmahnung lautet der richtige prozessuale Antrag wie folgt:

 

Rz. 64

Muster 21.2: Klageantrag

 

Muster 21.2: Klageantrag

Der Arbeitgeber wird verurteilt, die Abmahnung vom _________________________ ersatzlos aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

 

Rz. 65

Der Antrag auf Rücknahme einer Abmahnung ist an sich der umfassendere Antrag, bereitet aber prozessuale Auslegungsschwierigkeiten. Der Antrag, die Abmahnung zurückzunehmen, kann auf Abgabe einer entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers gerichtet sein, die gem. § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO als abgegeben gilt, sobald das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Wird der Antrag auf Rücknahme zusätzlich neben dem Antrag auf Entfernung der Abmahnung gestellt, kann darin auch ein Widerrufsverlangen erblickt werden. Für den Anspruch auf Widerruf müssen besondere Voraussetzungen vorliegen: Die Zivilgerichte bejahen bei ehrkränkenden Kundgebungen einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 BGB in Form eines Widerrufsanspruches, wenn ein dauernder Störungszustand besteht, der aus der Sicht des Verletzten eine ständig fortwirkende Schädigung und Ehrverletzung darstellt. Der Widerruf muss notwendig und geeignet sein, den Störungszustand zu beseitigen (BGH v. 19.12.1960 – GSZ 1/60, NJW 1961, 658 = BB 1961, 266). Diese besonderen Voraussetzungen können im Arbeitsverhältnis erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber sich nicht darauf beschränkt, eine Abmahnung zur Personalakte zu geben, sondern bspw. die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers durch Aushang oder auf andere Weise allgemein im Betrieb bekannt gibt.

 

Rz. 66

 

Beispiel (nach BAG v. 21.2.1979 – 5 AZR 568/77, DB 1979, 1513)

Der Arbeitgeber verfasst ein Rundschreiben oder einen Aushang folgenden Inhalts:

Wegen grober Beleidigung des Filialleiters und Entwendung von Fleischwaren wurde der Mitarbeiter A. fristlos entlassen.

 

Rz. 67

Lässt sich der Diebstahlsvorwurf nicht nachweisen, kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, den Vorwurf in gleicher Weise durch Rundschreiben oder Aushang öffentlich zu widerrufen.

 

Rz. 68

Es empfiehlt sich daher, in der Antragsbegründung klarzustellen, ob mit der Rücknahme auch ein formeller Widerruf geltend gemacht wird. Besteht kein besonderes Widerrufsinteresse, sollte der Antrag auf das Begehren beschränkt werden, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen (BAG v. 7.9.1988 – 5 AZR 625/87, NZA 1989, 272 = DB 1989, 284).

 

Rz. 69

Auch nach der Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, einen Anspruch auf Widerruf der in der Abmahnung abgegebenen Erklärungen gerichtlich geltend zu machen. Ein Widerrufsanspruch ist dann gegeben, wenn trotz des Entfernens der Abmahnung aus der Personalakte eine fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung im Hinblick auf das berufliche Fortkommen oder das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers besteht (BAG v. 15.4.1999 – 7 AZR 716/97, NZA 1999, 1037 = DB 1999, 1810).

 

Rz. 70

Die höchstrichterliche Rspr. hat – soweit ersichtlich – die gerichtliche Überprüfung der Abmahnung von ihrer Schriftform abhängig gemacht. Nur aktenkundige Abmahnungen sind überprüfbar, mündlich erteilte Abmahnungen oder Rügen nicht (Kammerer, Personalakte und Abmahnung, 168; ders., AR-Blattei SD 2. Lief. April 1993, Stichwort Abmahnung, Rn 84). Die Wirksamkeit einer mündlich ausgesprochenen Abmahnung kann daher allenfalls als Vorfrage in einem späteren Kündigungsschutzprozess gerichtlich überprüft werden.

 

Rz. 71

Ein Feststellungsantrag des Arbeitnehmers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnung ist unzulässig. Dies folgt bereits aus dem Gedanken der Subsidiarität der Feststellungsklage ggü. einer Leistungsklage (HzK/Legerlotz, Teil 1 Rn 113; Pauly, MDR 1996, 121). Die Wirksamkeit einer Maßnahme betrifft nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern die Feststellung einer Tatsache. Dies ist nach der Rspr. des BAG nicht zulässig (BAG v. 17.10.1989 – 1 ABR 100/88, NZA 1990, 193 = DB 1990, 483; BAG v. 12.9.1984 – 1 AZR 342/83, NZA 1984, 393). Aus letztgenanntem Grund besteht auch für den Arbeitgeber nicht die Möglichkeit, auf Feststellung der Wirksamkeit einer Abmahnung zu klagen (HzK/Legerlotz, Teil 1 Rn 113).

(2) Darlegungs- und Beweislast

 

Rz. 72

Der Arbeitgeber muss im Abmahnungsprozess sämtliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Abmahnung darlegen und im Streitfall beweis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge