1. Ausgangslage

 

Rz. 53

Wie bei der Nichtigkeitsklage gilt auch hier, dass die Begründetheit erst geprüft wird, nachdem die Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage bejaht worden ist. Das Gericht prüft sodann von Amts wegen, ob der behauptete Wiederaufnahmegrund auch tatsächlich gegeben ist. Ist die Restitutionsklage zulässig und der Wiederaufnahmegrund fristgerecht gem. § 586 ZPO in das Verfahren eingeführt worden, kann der Vortrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unter ergänzendem Beweismittelantritt weiter spezifiziert werden.[101] Das Gericht wird das frühere Urteil durch Zwischenurteil gem. § 280 ZPO[102] oder in den Gründen des Endurteils[103] aufheben, wenn es davon überzeugt ist, dass einer der nachfolgend benannten Restitutionsgründe vorliegt. Die Restitutionsgründe sind abschließend; der Katalog der Restitutionsgründe ist auch im Falle einer Änderung der Rechtsprechung nicht zu erweitern, da selbst eine Nichtigkeitserklärung einer Vorschrift durch das Bundesverfassungsgericht[104] nicht zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern nur zu einem Vollstreckungsverbot führt.[105]

[101] BGH VersR 1962, 175.
[102] BGH NJW 1979, 427.

2. Die falsche eidliche Parteiaussage

 

Rz. 54

Die Restitutionsklage kann gem. § 580 Nr. 1 ZPO erhoben werden, wenn sich der Gegner durch die Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat.

 

Rz. 55

 

Beispiele

Vereidigt werden kann der Gegner gem. § 426 Abs. 1 S. 3 ZPO, wenn das Vorgericht ihn über den Verbleib einer Urkunde vernimmt, die sich nach dem Vortrag des Wiederaufnahmeklägers in dessen Besitz befinden soll. Außerdem ordnet § 452 ZPO die Vereidigung der Partei an, wenn das Gericht nach durchgeführter Parteivernehmung noch nicht von der Wahrheit oder Unwahrheit der zu erweisenden Tatsachen überzeugt ist. War dies der Fall, kann der Wiederaufnahmekläger mit der Restitutionsklage eine Aufhebung des früheren Urteils erreichen, wenn der Gegner einen Meineid gem. § 154 StGB leistete oder einen Falscheid gem. § 161 StGB oder aber unter Berufung auf einen früheren Eid gem. § 155 Nr. 2 StGB falsch aussagte.

 

Rz. 56

Auf der falschen eidlichen Parteiaussage muss das Urteil beruhen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die beeidete Aussage des Zeugen teilweise falsch war, weil bereits dieser Umstand der Aussage die Überzeugungskraft nimmt.[106]

[106] OGH NJW 1950, 105; B/L/A/H-Hartmann, § 580 ZPO Rn 3.

3. Die Urkundenfälschung

 

Rz. 57

Gem. § 580 Nr. 2 ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; Beurteilungsmaßstab sind die §§ 267 ff. StGB. Folglich reicht eine versehentliche falsche Beurkundung nicht aus. Ob der Wiederaufnahmebeklagte Täter war oder von der Tat Kenntnis hatte, ist irrelevant. Das Urteil beruht bereits auf der Urkunde, wenn die Urkunde als bloßes Anzeichen vom Gericht benutzt worden ist.[107]

[107] B/L/A/H-Hartmann, § 580 ZPO Rn 4.

4. Falsches Zeugnis oder Gutachten

 

Rz. 58

Hat sich der Zeuge oder der Sachverständige einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht, kann der Wiederaufnahmekläger die Restitutionsklage gem. § 580 Nr. 3 ZPO anstrengen. Voraussetzung ist, dass sich der Zeuge oder der Gutachter strafbar gemacht hat:

wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB),
wegen Meineides (§ 154 StGB),
wegen falscher eidesgleicher Bekräftigung (§ 155 StGB),
wegen falscher Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB) oder
wegen eines fahrlässigen Falscheides bzw. einer fahrlässigen falschen Versicherung an Eides statt (§ 161 StGB).
 

Rz. 59

Gem. §§ 189, 191 GVG stehen Dolmetscher dem Sachverständigen gleich. Ausreichend für die Wiederaufnahme ist es bereits, dass die Aussage in einem Punkt falsch war.

5. Die Urteilserschleichung

 

Rz. 60

Gem. § 580 Nr. 4 ZPO kann das Urteil angefochten werden, wenn es von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat – etwa wissentlich unwahren Prozessvortrag der gegnerischen Partei[108] – erwirkt worden ist. Solche Straftaten können vom Vertreter des Wiederaufnahmeklägers, von seinem Gegner oder von dem Vertreter des Gegners begangen worden sein. Hierunter fallen:

die falsche Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB),
die Verleitung zur Falschaussage (§ 160 StGB),
die Nötigung (§ 240 StGB),
der Betrug (§ 263 StGB) und
die Untreue (§ 266 StGB).
 

Rz. 61

Da der Wiederaufnahmegrund in der Praxis häufig daran scheitern wird, dass dem behaupteten Verfahrensbetrug keine rechtskräftige Verurteilung zugrunde liegt bzw. die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen konnte (§ 581 Abs. 1 ZPO), kann für den Wiederaufnahmekläger auch der Einwand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) hilfreich sein.

 

Rz. 62

 

Beispiel

Der Schiedskläger veräußerte seine Geschäftsanteile (shares) an einer ausländischen Limited an den Schiedsbeklagten....

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