Rz. 16

Ist eine überschuldete Person potenzieller Erbe und möchte dieser nicht, dass sein Erbe aus dem Familienvermögen seinen Gläubigern zufällt, kann er grundsätzlich gemäß § 1944 BGB ausschlagen. Dem OLG Hamm zufolge ist aber die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft sittenwidrig, sofern dadurch die Sozialhilfebedürftigkeit des vorläufigen Erben fortbesteht, außer die Ausschlagung kann ausnahmsweise durch ein überwiegendes Interesse des Erben motiviert werden.[42] Derjenige, der sich in der Situation befindet, dass er auf Sozialleistungen angewiesen ist, nehme für sich die durch das Sozialstaatsprinzip verbürgte Solidarität der staatlichen Gemeinschaft in Anspruch. Nehme er einen Vermögenserwerb nicht wahr, so verweigere er nach Auffassung des OLG Hamm umgekehrt der Gemeinschaft eben diese Solidarität, indem er rechtlich eine Bedürftigkeit vorschützt, die wirtschaftlich nicht besteht bzw. nicht bestehen müsste. Das Gericht hat seine Begründung ausdrücklich gegenüber der rechtlichen Situation bei dem Behindertentestament, das von der Rechtsprechung als nicht sittenwidrig angesehen wird, abgegrenzt. Wendt spricht sich hingegen gegen die Sittenwidrigkeit einer Ausschlagung in diesen Fällen aus, u.a. da durch die Ausschlagung gerade erst versucht werde, dem "erkennbaren Erblasserwillen möglichst zu entsprechen".[43] Das LSG Bayern[44] spricht indes an, dass die Erbausschlagung eines Sozialleistungsbeziehers sittenwidrig sein kann. Dabei grenzt es die Ausschlagung und einen Verzicht nach dem Erbfall von einem lebzeitigen Erbverzicht gemäß § 2346 BGB ab.

[42] OLG Hamm ZEV 2009, 471; abl. Wendt, ZErb 2010, 45, 48; ebenso dagegen LG Aachen ZEV 2005, 120; MüKo/Leipold, § 1942 Rn 14; Staudinger/Otte, § 1942 Rn 22.
[43] Wendt, ZErb 2010, 45, 48.

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