Rz. 70

Die Baufertigstellungsversicherung, die als Annex zu der Baugewährleistungsversicherung angeboten wird, deckt das Risiko der Mehrkosten der Baufertigstellung im Falle der Insolvenz des Bauunternehmers. Ihre Durchsetzung am Markt ist bisher nicht gelungen.[270] Nur die VHV bietet eine solche von dem Deutschen Baugerichtstag empfohlene Versicherung an.[271] Die Notwendigkeit einer Insolvenzversicherung des Bauherrn liegt auf der Hand.[272] Versichert sind die Fertigstellungsmehrkosten aufgrund der Insolvenz des Bauunternehmers, der Versicherungsnehmer ist, was im Falle seiner Insolvenz für den Bauherrn einen Direktanspruch entstehen lässt.[273] Wie die Bauleistungsversicherung bezieht sich die Baufertigstellungsversicherung auf den Zeitraum vor der Abnahme des Bauwerks, wobei die Insolvenzeröffnung zu einer Aufteilung des Bauvertrags in zwei Teile führt.[274] Die Trennung des gesamten Bauvertragsverhältnisses wird teilweise dadurch aufgehoben, dass der Bauherr nach der beantragten Insolvenz und Erfüllungswahl durch den Insolvenzverwalter nicht nur bezüglich der noch ausstehenden Leistungen einen Erfüllungsanspruch erhält, sondern auch Mängelansprüche aus bereits erbrachten Leistungen dem bis dahin entstandenen Vergütungsanspruch entgegen halten kann.[275] Die zeitlichen Grenzen des Versicherungsschutzes, die sowohl durch die Abnahme wie vor allem durch die Ingebrauchnahme – ohne Billigung der Bauleistungen – bestimmt werden, führen bei später auftretenden Mängeln zu einem Verlust des Schutzes in der Fertigstellungsversicherung.[276]

Bei Überzahlung des Bauunternehmers durch dem Bautenstand nicht entsprechende Abschlagszahlungen sind die Überzahlungen nicht vom Versicherungsschutz umfasst.[277] Da Verzugsschäden nicht gedeckt sind[278] und der Bauunternehmer durch fehlende Mitwirkung an der baubegleitenden Qualitätskontrolle die Kündigung der Fertigstellungsversicherung durch die Versicherungsgesellschaft herbeiführen kann, ist die Rechtsstellung des Bauherrn gefährdet.[279] Etwaige Schadenersatzforderungen des Bauherrn gegen den Bauunternehmer sind aufgrund dessen Insolvenz wertlos.[280] Eine noch gravierendere Gefährdung der Ansprüche des Bestellers aus der Fertigstellungsversicherung ergibt sich dann, wenn der Bauunternehmer die Einmalprämie nicht zahlt und der Bauherr deshalb das seinen Anspruch verbriefende Zertifikat nicht erhält.[281]

 

Rz. 71

Die Baugewährleistungsversicherung, die nach dem französischen Vorbild der dortigen Pflichtversicherung, derassurance décennale, von der VHV auf dem deutschen Markt angeboten wird, hat die vorwiegende wirtschaftliche Funktion der Sicherung des Einstandsrisikos des Bauunternehmers/Bauträgers hinsichtlich seiner Mängelhaftung nach der Abnahme. Das französische Vorbild der Baugewährleistungsversicherung fand Art. 1792 des Code civil vor, der eine 10-jährige Haftungsperiode für alle Schäden bestimmte, die die Solidität eines Bauwerks beeinträchtigen oder es in seinen wesentlichen Bestandteilen und Ausstattungselementen für seine Nutzung unbrauchbar machten.[282] Folge dieser langen Haftungsdauer war die Einführung der Versicherungspflicht des Bauunternehmers für alle eventuellen Gewährleistungsansprüche des Bauherrn oder späteren Erwerbers von Gebäuden (Art. L 241–1 Code des assurances). Berichtet wird, dass ausländische kleine und mittlere Bauunternehmen in Frankreich Schwierigkeiten haben, Versicherungsschutz zu erlangen, was ihre Bautätigkeit in Frankreich verhindert, da ohne Versicherungsschutz die Einbringung von Baudienstleistungen verboten ist.[283]

Ausgangspunkt der Einstandspflicht der Versicherung sind nach der Abnahme eingetretene ­Mängel.

 

Rz. 72

Herzstück der Baugewährleistungsversicherung ist die Umschreibung der Einstandspflicht des Versicherers in Ziff. 1.2 der VHV. Gedeckt werden die Aufwendungen für Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 BGB, § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B einschließlich begrenzter Schadenssuchkosten (§ 5.1.2 der Bedingungen der VHV) und die Minderungskosten gem. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB, § 13 Nr. 6 VOB/B, womit lediglich nach der Abnahme entstandene Mängelansprüche gedeckt sind.

Die damit im Zentrum des Versicherungsvertrags stehende Überprüfung auf Mängel nach der Abnahme wird durch § 6 AVB dadurch verstärkt, dass obligatorische Baubegehungen durch vom Versicherer beauftragte Sachverständige vorgesehen sind, die während der Bautätigkeit baubegleitend und nach der Abnahme erfolgen. Die baubegleitende Kontrolle soll neben der Risikominimierung auch Werbezwecke für den Versicherungsnehmer mit sich bringen.

Sie dient auch der Kontrolle des Versicherungsnehmers, bei dessen Tätigkeit die Gefahr nachlässiger Bemühungen im Vertrauen auf die Versicherung oft nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Rz. 73

Beseitigt der Unternehmer den Mangel selbst, erhält er lediglich seine Selbstkosten erstattet. Zuschläge für Wagnis und Gewinn sowie seine allgemeinen Geschäftskosten werden nicht entschädigt.[284] Da ein Selbstbehalt von 10 % der Kosten, mindestens aber 2.500 ...

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