I. Grundsätze

 

Rz. 5

Für Vertragsbedingungen, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden, sondern "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (AGB) sind, galt das AGBG vom 9.12.1976.[7] Durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts[8] wurden die materiell-rechtlichen Vorschriften des AGBG als §§ 305319 BGB in das BGB integriert, während die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AGBG in das neu geschaffene Unterlassungsklagengesetz[9] überführt wurden. Danach enthält § 305 Abs. 1 S. 1 BGB die einschlägige Legaldefinition.

 

Rz. 6

Für Haftungsmilderungsregelungen haben die gesetzlichen Regelungen über die "Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen" (so die gesetzliche Abschnittsüberschrift) besondere Bedeutung, weil der AGB-Begriff des § 305 BGB sehr weit gefasst ist. ­Danach sind AGB auch vorformulierte Erklärungen wie etwa Einwilligungserklärungen in Krankenhausaufnahmeverträgen in eine Sektion[10] oder Abfindungserklärungen. Auch auf eine von einem Straßenbahnunternehmen vorformulierte Erklärung, nach der ein Unfallgegner bestätigt, den Unfall alleine verursacht zu haben, sich verpflichtet, den Schaden der Straßenbahngesellschaft zu ersetzen und auf eigene Schadensersatzansprüche zu verzichten, finden das AGBG a.F. bzw. §§ 305 ff. BGB Anwendung.[11] Ob vorformulierte Vertragsbedingungen gedruckt, vervielfältigt, im Geschäftslokal des Verwenders ausgehängt oder auf sonstige Weise äußerlich in ihrem Charakter als Regelung einer Vielzahl von Rechtsgeschäften erkennbar sind, macht für die AGB-Definition keinen Unterschied.

 

Rz. 7

Die §§ 305 ff. BGB kommen nur zur Anwendung, wenn eine Vertragspartei die AGB "gestellt" hat. Für die Frage, ob eine Vertragspartei der anderen mit der Zurverfügungstellung eines Vertragsformulars Allgemeine Geschäftsbedingungen gestellt hat und damit Verwender ist, kommt es nicht entscheidend darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will. Sind die Bedingungen von einem Dritten formuliert, ist für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB maßgebend, ob eine der Vertragsparteien sich die Bedingungen als von ihr gestellt zurechnen lassen muss.[12]

 

Rz. 8

Zwar gelten bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, weil er selbst auf der Verwendung eines bestimmen Vertragsformulars wie zum Beispiel beim Autokauf des ADAC-Formulars bestanden hat. Dagegen gibt es bei Verträgen zwischen Verbrauchern keine gesetzliche Vermutung dafür, dass die Geschäftsbedingungen von einer der Parteien gestellt worden sind und welche der Parteien sie gestellt hat. Dies beurteilt sich vielmehr nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Verwendereigenschaft grundsätzlich von demjenigen darzulegen und zu beweisen ist, der sich im Individualprozess auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft.[13]

 

Rz. 9

Das "Stellen" von Vertragsbedingungen setzt auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht voraus, dass ein Ungleichgewicht zwischen den Vertragsbeteiligten hinsichtlich der vertraglichen Durchsetzungsmacht besteht. Verwender im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB kann vielmehr auch eine Vertragspartei sein, die der anderen weder wirtschaftlich noch sonst überlegen ist. Denn die im Stellen einer Vertragsbedingung zum Ausdruck kommende Einseitigkeit der Auferlegung, in der der Gesetzgeber bei Schaffung des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen den inneren Grund und Ansatzpunkt für die rechtliche Sonderbehandlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Individualabreden gesehen hat und woran bei Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes inhaltlich nichts geändert werden sollte, beruht nicht zwingend auf einer solchen Überlegenheit.

 

Rz. 10

Als wesentliches Charakteristikum von Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der Gesetzgeber vielmehr die Einseitigkeit ihrer Auferlegung und den Umstand gesehen, dass der andere Vertragsteil, der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, auf ihre Ausgestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann. Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird. Dazu ist es erforderlich, dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen. Sind Vertragsbedingungen bei einvernehmlicher Verwendung eines bes...

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