1. Einzelzwangsvollstreckung gegen den Erben

a) Erfordernis des Haftungsbeschränkungsvorbehalts nach § 780 ZPO

 

Rz. 303

Wenn ein Nachlassgläubiger im Wege der Einzelzwangsvollstreckung auf das Eigenvermögen des Erben zugreift, so steht dem Erben die beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs zu erhebende Vollstreckungsgegenklage nach §§ 784 Abs. 1, 785, 767 ZPO zu, sofern er sich die Haftungsbeschränkung in dem gegen ihn ergangenen Urteil nach § 780 Abs. 1 ZPO hat vorbehalten lassen und sofern er in der inzwischen eine materiell-rechtliche Haftungsbeschränkung herbeigeführt hat, denn ohne eine solche tritt materiell-rechtlich die Haftungsbeschränkung nicht ein; die Vollstreckungsgegenklage auf der Basis von § 784 ZPO wäre unbegründet (zum Vorbehalt nach § 780 ZPO im Einzelnen vgl. oben Rdn 231 ff.).

b) Entbehrlichkeit des Haftungsbeschränkungsvorbehalts

 

Rz. 304

Ausnahmsweise ist ein solcher Vorbehalt in drei Fallgruppen nicht erforderlich:

1.

Wenn schon das Urteil selbst erkennen lässt, dass sich die Vollstreckung gegen einen Erben richtet. Dies ist gemäß § 780 Abs. 2 ZPO in vier Fällen gegeben:

Wenn das Urteil

gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben oder
gegen einen Nachlassverwalter oder
gegen einen (anderen) Nachlasspfleger oder
gegen einen Testamentsvollstrecker

ergeht.

2. Nicht erforderlich ist der Vorbehalt auch dann, wenn das Urteil gegen den Erblasser ergangen ist. In einem solchen Fall kann eine bereits begonnene Zwangsvollstreckung fortgesetzt werden, obwohl sie sich nach dem Erbfall gegen einen anderen Schuldner, nämlich den Erben, richtet; aber die Zwangsvollstreckung ist auf den Nachlass beschränkt, vgl. § 797 Abs. 1 ZPO.
3. Falls die Zwangsvollstreckung erst nach dem Tod des Erblassers beginnt, so muss der Nachlassgläubiger seinen Vollstreckungstitel auf den Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 727 ZPO umschreiben lassen. In einem solchen Fall ist wiederum auf dem Titel vermerkt, dass sich die Zwangsvollstreckung gegen einen Erben richtet; aus diesem Grund bedarf es hier keines Vorbehalts nach § 780 ZPO für den Erben, um ihm die Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage nach §§ 781, 785, 767 ZPO zu eröffnen.

2. Universalzwangsvollstreckung gegen den Erben

 

Rz. 305

Geht ein Nachlassgläubiger gegen das Eigenvermögen des Erben dadurch vor, dass er seine Forderung in einem Insolvenzverfahren des Erben anmeldet, so kann der Erbe die Teilnahme des Nachlassgläubigers an der allgemeinen Insolvenz über sein Eigenvermögen dadurch ausschließen, dass er seinerseits Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragt. Die Eröffnung der Nachlassinsolvenz schließt nach § 331 InsO die Nachlassgläubiger von der Teilnahme am allgemeinen Insolvenzverfahren aus.

Ausgenommen sind nur diejenigen Nachlassgläubiger, denen gegenüber der Erbe unbeschränkt haftet; sie können im allgemeinen Insolvenzverfahren den Betrag geltend machen, mit dem sie im Nachlassinsolvenzverfahren ausgefallen sind.

3. Aufrechnung

 

Rz. 306

Hat ein Nachlassgläubiger die Aufrechnung gegen eine Forderung erklärt, die sich im Eigenvermögen des Erben befindet, so wird diese durch die Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß § 1977 Abs. 1 BGB wieder rückgängig gemacht. Die gegenseitigen Forderungen, deren Aufrechnung vor der Vermögenstrennung erfolgt ist, bestehen mit der Anordnung von Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz fort.

Mit der Vermögenstrennung sind nur noch Nachlassforderungen und Nachlassschulden gegenseitig und damit aufrechenbar, nicht aber Nachlassforderungen und Eigenschulden sowie Eigenforderungen und Nachlassschulden (§§ 1977 Abs. 2, 389 BGB).

4. Konfusion

 

Rz. 307

Zu der Einzelzwangsvollstreckung, der Universalvollstreckung und der Aufrechnung kommt noch eine vierte Möglichkeit, bei der der Erbe mit seinem Eigenvermögen für eine Nachlassschuld einsteht, und zwar kraft Gesetzes: die Konfusion. Sie tritt ein, wenn der Erbe Gläubiger des Erblassers gewesen war. Der Erbe verliert seine Forderung mit dem Erbfall. Die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens macht auch dies wiederum rückgängig. Gemäß § 1976 BGB gelten die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen.

 

Beispiel

Erblasser E und Sohn S hatten einen Kaufvertrag geschlossen, wonach E dem S einen Pkw für 10.000 EUR verkauft. Im Zeitpunkt des Todes des E war der Vertrag von keiner Seite erfüllt. S wurde Alleinerbe des E. Damit wurde er Alleineigentümer des Pkw, seine Verbindlichkeit zur Kaufpreiszahlung ist erloschen.

Zwei Monate später wird Nachlassverwaltung angeordnet. S bleibt damit zwar Eigentümer des Pkw, er verliert jedoch die Verfügungsbefugnis darüber, seine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung lebt wieder auf. Die Abwicklung des Vertrages geschieht auf die Weise, dass S den Kaufpreis an den Nachlassverwalter bezahlt und dieser den Pkw aus seiner Verwaltung frei gibt. Eine Übereignung ist nicht möglich, da der Pkw bereits im Eigentum des S steht.

 

Rz. 308

Der Erbe kann zu seinem Eigenvermögen gehörende Forderungen gegenüber Nachlassverwalter oder Insolvenzverwalter geltend machen, obwohl er einerseits selbst ...

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