1. Problemstellung

 

Rz. 285

Im Erbenhaftungsprozess (gegen den Erben) sind im Wesentlichen drei Fragen zu prüfen:

1. Liegt eine Nachlassverbindlichkeit vor?
2. Haftet der Erbe für diese Verbindlichkeit unbeschränkt oder beschränkt auf den Nachlass?
3. Gehört, wenn eine Vollstreckungsmaßnahme eingeleitet wurde, der Gegenstand der Vollstreckung zum haftenden Vermögen?

Welche dieser Fragen ist im Erkenntnisverfahren, welche im Vollstreckungsverfahren zu klären?

In der Praxis sind diese Fragen vor allem dann von Bedeutung, wenn die Dürftigkeitseinrede erhoben wird.

Die erste Frage nach der Nachlassverbindlichkeit ist sicher im Erkenntnisverfahren zu klären, die dritte im Vollstreckungsverfahren.

Wie schwierig die verfahrensrechtliche Ansiedelung der Haftungsbeschränkung des Erben ist, wird bei der zweiten Frage deutlich. Ob der Erbe für eine Nachlassverbindlichkeit beschränkt oder unbeschränkt haftet, kann im Erkenntnisverfahren so gut wie im Vollstreckungsverfahren geprüft werden.

Die Frage ist anhand von § 780 ZPO und § 785 ZPO zu beantworten.

2. Die Haftungsbeschränkung im Erkenntnisverfahren

a) Reichweite von § 780 ZPO

 

Rz. 286

Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe verurteilte Beklagte die Beschränkung der Erbenhaftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteilstenor vorbehalten wurde. Dabei zeigt sich, dass die Vorschrift einen doppelten Regelungsinhalt hat:

Für den Erben beinhaltet sie eine Präklusion, die eine verspätete Geltendmachung der beschränkten Erbenhaftung ausschließt.
Für das Prozessgericht handelt es sich um eine Verfahrensnorm.
 

Rz. 287

Aus letzterer Erkenntnis ergibt sich bereits eine wichtige Kompetenzverteilung zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren: Das Prozessgericht braucht die rechtzeitig geltend gemachte Haftungsbeschränkung nicht zu prüfen, es behält sie dem Erben lediglich für die spätere Geltendmachung vor.

§ 780 ZPO gilt für jede bisher behandelte gegenständliche Beschränkung der Erbenhaftung.

 

Rz. 288

Die Vorschrift gilt aber nicht für

die vorläufigen Einreden der §§ 2014, 2015 BGB, weil es hier nicht um eine gegenständliche Haftungsbeschränkung geht, sondern nur um eine zeitlich bezogen vorübergehende.
die Geltendmachung der Teilhaftung von Miterben nach § 2060 BGB, denn dabei geht es wiederum nicht um eine gegenständliche Beschränkung der Haftung auf den Nachlass.

b) Inhalte der jeweiligen Entscheidung

 

Rz. 289

In den Fällen der Erstklage und der Vollstreckungsgegenklage sind die Verfahren nach § 780 ZPO – Verurteilung des Erben – und nach §§ 781, 785 ZPO – Entscheidung über die Haftungsbeschränkung – in einer Entscheidung zusammengefasst: Das Prozessgericht verurteilt den Erben ohne Vorbehalt, oder es verurteilt nur zur Leistung aus dem Nachlass bzw. zur Duldung der Zwangsvollstreckung in konkrete Nachlassgegenstände. Oder es weist die Klage ab, weil nur beschränkt gehaftet wird und der Nachlass erschöpft ist.

 

Rz. 290

In diesen Fällen hat das Gericht mit rechtskräftiger Wirkung nicht nur über die Nachlassverbindlichkeit, sondern – bezogen auf die betreffende Verbindlichkeit – auch über die Haftungsbeschränkung entschieden. Ist ein Prozess in diesen beiden Punkten zur Entscheidung reif, so dürfte es aus prozessökonomischen Gründen die Pflicht des Prozessgerichts sein, auch in diesem umfassenden Sinn zu entscheiden.

c) Wirkung einer Verurteilung mit oder ohne Vorbehalt

 

Rz. 291

Der Vorbehalt hindert nicht ohne weiteres die Vollstreckung in das gesamte Vermögen des Erben. Er sichert dem Erben grundsätzlich nur die Möglichkeit, die Haftungsbeschränkung nach § 785 ZPO geltend zu machen, § 781 ZPO.

d) Die Haftungsbeschränkung im Vollstreckungsverfahren

aa) Unbeschränkte Vollstreckung

 

Rz. 292

Nach § 781 ZPO bleibt die Haftungsbeschränkung in der Zwangsvollstreckung unberücksichtigt, bis aufgrund der beschränkten Erbenhaftung von dem Erben Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung erhoben werden. Solange nicht die Beschränkung der Haftung aus dem Titel durch richterlichen Ausspruch geklärt ist, weil der Erbe ohnehin nur zur Leistung aus dem Nachlass oder zur Duldung der Zwangsvollstreckung in bestimmte Gegenstände verurteilt ist, muss der Erbe den richterlichen Ausspruch durch haftungsbeschränkende Klage nach § 785 ZPO herbeiführen.

bb) Die verschiedenen Klageziele des § 785 ZPO

(1) Inhalt der Verweisung

 

Rz. 293

Das Gesetz verweist in § 785 ZPO wegen der im Rahmen der §§ 781784 ZPO erhobenen Einwendungen auf die Vollstreckungsgegenklage. Aber die Klageziele des § 785 ZPO sind nicht einheitlich:

Teils geht es darum, die Beschränkung des Titels auf den Nachlass geltend zu machen. Bei dieser Alternative befasst sich die Klage mit dem Inhalt des Titels; sie ist deshalb ein Sonderfall der Vollstreckungsgegenklage.
Teils geht es darum, die Nichthaftung eines bestimmten Gegenstandes geltend zu machen. Dies ist ein Sonderfall der Drittwiderspruchsklage.

Fazit: Das Gesetz fasst zwei unterschiedliche Klagetypen zu einer einzigen Klageform zusammen. Die Verweisung auf § 767 Abs. 1 ZPO führt zu einer einheitlichen Zuständigkeit.

(2) Vollstreckungsgegenklage

 

Rz. 294

Zielt die Klage gegen den Titel und ist sie darauf gerichtet, die Vollstreckungsfähigkeit des Titels allgemein auf den Nachlass zu begrenzen, dann handelt es sich um eine Sonderform der Vollstreckungsgegenklage. Denn in diesem Fall werden materiell-rechtliche Einwendungen gegen die titulierte ...

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