I. Zweck und Begriff des Inventars

 

Rz. 208

Die Inventarerrichtung (§§ 1993 ff. BGB) dient zunächst dem Erben dazu, sich über den Bestand des Nachlasses – Aktiva und Passiva – zu informieren. Es gibt aber auch dem Nachlassgläubiger Aufschluss über den Umfang des Nachlasses. Das Inventar kann vom Erben entweder freiwillig (§ 1993 BGB) oder auf Antrag eines Gläubigers errichtet werden (§ 1994 BGB).

 

Rz. 209

Das unter Beachtung der Formalien der §§ 1993 ff. BGB errichtete Inventar ist kein Mittel zur Haftungsbeschränkung; es erzeugt lediglich die Vermutung im Verhältnis zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern, dass weitere Nachlassgegenstände als die im Inventar verzeichneten nicht vorhanden sind (§ 2009 BGB). Einem verbreiteten Missverständnis muss vorgebeugt werden: Es wird nicht vermutet, dass die verzeichneten Gegenstände auch wirklich zum Nachlass gehören. Mit dem Inventarverzeichnis bereitet der Erbe lediglich eine etwa notwendig werdende Haftungsbeschränkung vor.

II. Formelle Erfordernisse

 

Rz. 210

Der Erbe muss bei der Aufnahme eine zuständige Behörde oder einen zuständigen Beamten oder Notar hinzuziehen (§ 2002 BGB). Welche Behörden oder Beamten außer den Notaren für die Inventarerrichtung zuständig sind, richtet sich nach Landesrecht. Auf Antrag des Erben erfolgt die Aufnahme durch einen vom Nachlassgericht beauftragten Notar (§ 2003 BGB). Das Inventar soll den gesamten Nachlassbestand und den Wert der Nachlassgegenstände enthalten (§ 2001 BGB). Das Inventar ist vom Erben oder vom beauftragten Notar beim örtlich zuständigen Nachlassgericht einzureichen (§§ 1994, 2003 Abs. 3 BGB).

Sofern der Erbe das Inventar nicht freiwillig errichtet, kann jeder Nachlassgläubiger beantragen, dass das Nachlassgericht dem Erben eine Frist zur Inventarerrichtung setzt (§ 1994 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Nachlassgläubiger hat seine Forderung glaubhaft zu machen (§ 1994 Abs. 2 S. 1 BGB, § 31 FamFG).

 

Rz. 211

Auf Antrag eines Nachlassgläubigers ist der Erbe verpflichtet, die Vollständigkeit des Inventars an Eides statt zu versichern (§ 2006 Abs. 1 BGB). Zuständig für die Protokollierung der eidesstattlichen Versicherung ist das Nachlassgericht (§§ 342 Abs. 1 Nr. 6, 343 FamFG), funktionell der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 Buchst. c RPflG). Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kann nicht gerichtlich im Klageweg oder durch Zwangsmittel erzwungen werden.[205] Weigert sich der Erbe, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, tritt vielmehr unbeschränkte Haftung gegenüber dem betreffenden Gläubiger ein (§ 2006 Abs. 3 BGB).

[205] RGZ 129, 239; OLG Zweibrücken MDR 1979, 492; Staudinger/Dobler, § 2006 Rn 2; MüKo/Küpper, § 2006 Rn 6; Palandt/Weidlich, § 2006 Rn 2.

III. Wirkung rechtzeitiger Inventarerrichtung

 

Rz. 212

Im Verhältnis zwischen Erbe und Nachlassgläubiger wird vermutet, dass nur die im Inventar verzeichneten Nachlassgegenstände vorhanden sind (§ 2009 BGB). Für den Erben erlangt diese Vermutung praktische Bedeutung, wenn er den Nachlass herauszugeben oder über seine Verwaltung des Nachlasses Rechenschaft abzulegen hat. Die Vermutung kann widerlegt werden (§ 292 ZPO).

IV. Folgen von Unkorrektheiten bei der Inventarerrichtung

 

Rz. 213

Der Erbe kann aus der korrekten Inventarerrichtung Vorteile ziehen. Macht er jedoch absichtlich falsche Angaben oder verzögert er die Aufnahme, so folgt daraus seine unbeschränkte Haftung.

 

Rz. 214

Eine vom Erben absichtlich herbeigeführte Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inventars (Inventaruntreue) hat zur Folge, dass der Erbe allen Nachlassgläubigern unbeschränkt haftet (§ 2005 Abs. 1 S. 1 BGB). Ob das Inventar freiwillig oder auf Antrag eines Nachlassgläubigers errichtet wurde, ist hierfür unerheblich.

 

Rz. 215

Verweigert der Erbe bei amtlicher Aufnahme des Inventars die Erteilung der Auskunft oder verzögert er sie absichtlich in erheblichem Maße (Inventarversäumung), so hat dies ebenfalls die unbeschränkte Haftung gegenüber allen Gläubigern zur Folge (§ 2005 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies gilt nur bei einem Inventar, dessen Errichtung von einem Nachlassgläubiger beantragt wurde, nicht auch bei einem vom Erben freiwillig errichteten Inventar.

 

Rz. 216

Die vom Nachlassgericht auf Antrag eines Nachlassgläubigers gesetzte Inventarfrist soll den Erben zwingen, ein Inventar zu errichten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, so hat dies ebenfalls die unbeschränkte Haftung gegenüber allen Nachlassgläubigern zur Folge (§ 1994 Abs. 1 S. 2 BGB).

V. Kosten der Inventarerrichtung

 

Rz. 217

Für die Entgegennahme des Inventars durch das Nachlassgericht wird eine Gebühr von 15 EUR erhoben, KV 12410 Abs. 1 Nr. 6 GNotKG, für die Bestimmung einer Inventarfrist eine Gebühr von 25 EUR, KV 12411 Nr. 2 GNotKG. Die Übertragung der Aufnahme auf einen Notar gemäß § 2003 BGB löst eine Gebühr von 40 EUR aus, KV 12412 GNotKG, der Notar erhält für die Aufnahme des Inventars eine 2,0 Gebühr, KV 23500 GNotKG. Für die bloße Mitwirkung bei der Aufnahme gemäß § 2002 BGB fällt eine Gebühr von 1,0 an, KV 23502 GNotKG. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach dem Wert der Nachlassgegenstände ohne Abzug der Verbindlichkeiten, §§ 115, 38 S. 2 GNotKG.

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