Rz. 322

Trotz des auf Auseinandersetzung gerichteten Zwecks der Erbengemeinschaft muss der Nachlass zwischen dem Erbfall und der endgültigen Erbauseinandersetzung zur Erhaltung als Haftungsmasse sinnvoll verwaltet werden. Diese Verwaltungsbefugnis kommt den Miterben zu, es sei denn, der Erblasser hätte sie einem Testamentsvollstrecker übertragen.

Die Verwaltung umfasst alle Maßnahmen zur Erhaltung oder Vermehrung des Nachlasses, gleichgültig, ob es sich um Maßnahmen des Innenverhältnisses oder des Außenverhältnisses handelt. Zur Verwaltung des Nachlasses in der Erbengemeinschaft vgl. § 12 Rdn 15 ff.

 

Rz. 323

Der gegenseitigen Mitwirkungspflicht der Miterben zu ordnungsmäßigen Verwaltungsmaßnahmen steht eine Sanktion bei der Erbenhaftung gegenüber: die gesamtschuldnerische Haftung nach § 2058 BGB. Diese gravierende Rechtsfolge für jeden einzelnen Miterben erfordert die Werterhaltung des Nachlasses durch sinnvolle Verwaltungsmaßnahmen, damit nicht durch eine Wertminderung eine Unterdeckung eintritt, die zu einer Haftung der Erben mit dem Eigenvermögen führen könnte.

Vor diesem Hintergrund ist auch das Erfordernis der Einstimmigkeit zu außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen zu sehen (§ 2038 Abs. 1 S. 1 BGB). Das wirtschaftliche Risiko außergewöhnlicher Verwaltungsmaßnahmen soll nur dann eingegangen werden können, wenn jeder Miterbe zustimmt, weil ihn auch die gesamtschuldnerische Haftung des § 2058 BGB trifft. Ein Mehrheitsbeschluss reicht für solche außerordentlichen Maßnahmen nicht.

 

Rz. 324

Beispiele für außerordentliche Verwaltung:

Umänderung einer Erbengemeinschaft in eine werbende Gesellschaft;
Umwandlung eines Gewerbes in ein Unternehmen einer anderen Branche.
 

Rz. 325

Einen Sicherungsmechanismus zur Erhaltung des Nachlasses in seinem Wert enthält auch die Regelung über die Notgeschäftsführung (§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB). Sie ist zulässig bei bedeutsamen Maßnahmen in Dringlichkeitsfällen, wenn die Stellungnahme bzw. Zustimmung der anderen Miterben nicht mehr eingeholt werden kann. Allerdings fallen nur Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung darunter. (Beispiel: Wasserrohrbruch im Wohnhaus der Erbengemeinschaft. Ein Miterbe kann die erforderlichen Reparaturaufträge im Namen aller Miterben erteilen. Aus dem Auftrag entsteht eine Nachlassverbindlichkeit).

Lagen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Notverwaltungsmaßnahme nicht vor, so haftet der handelnde Miterbe allein, eine Nachlassverbindlichkeit entsteht dann nicht.

 

Rz. 326

Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung:

(1) Die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten ist grundsätzlich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses,[258] deshalb sind alle Erben gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB zur Mitwirkung verpflichtet.

(2) Außerdem hat jeder Miterbe gegenüber den anderen Miterben Anspruch auf Mitwirkung bei der Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten mit Mitteln des Nachlasses auf der Grundlage von § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB – gleichgültig, ob die Auseinandersetzung des Nachlasses bevorsteht oder nicht. Allerdings hat diese Vorschrift nur Wirkung im Innenverhältnis zwischen den Miterben, nicht auch im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern.[259]

(3) In dritter Linie hat jeder Miterbe gegenüber den anderen Anspruch auf Mitwirkung bei der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten aus dem Gesamtschuldverhältnis, das sich aus §§ 2058, 426 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt.[260]

Reichen aber die Nachlassmittel nicht aus, um alle Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen, so wäre die gegen die Pflicht zur Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens aus § 1980 BGB verstoßende Erfüllung einzelner Nachlassverbindlichkeiten keine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung; und dazu müssten die übrigen Miterben auch nicht zustimmen.[261] Aber solange der Nachlass nicht geteilt ist, hat jeder Miterbe im Falle der Inanspruchnahme durch einen Nachlassgläubiger die Einrede des ungeteilten Nachlasses, § 2059 Abs. 1 BGB.

Schuldet ein einzelner Miterbe dem Nachlass Leistungen, so handelt er rechtsmissbräuchlich, wenn er vor der Erfüllung dieser Leistungsverpflichtung seinerseits von den anderen Miterben die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten aus dem dafür nicht hinreichenden Nachlass verlangt.[262]

[259] BGHZ 57, 84; OLG Celle FamRZ 2003, 1224; Staudinger/Löhnig, § 2046 Rn 2; MüKo/Ann, § 2046 Rn 3; Palandt/Weidlich, § 2046 Rn 1.
[260] Staudinger/Marotzke, § 2058 Rn 79; MüKo/Ann, § 2058 Rn 33.

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