Rz. 34

Ohne Bedeutung für die Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf ist: das Vorliegen eines ehebedingten Nachteils

Bei der Prüfung der Herabsetzung ist die Frage des ehebedingten Nachteils im Wesentlichen bereits Gegenstand der Feststellung des angemessenen Bedarfs und der Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die Unterhaltsberechtigte ihren Bedarf selbst decken kann (Bedürftigkeit).

Die in § 1578b BGB enthaltene Verknüpfung zwischen einem ehebedingten Nachteil und der Frage der Herabsetzung erschiene problematisch, wollte man aus einem Nachteil stets ein Argument gegen eine Herabsetzung herleiten. Denn dieser finanzielle Nachteil ist begriffsnotwendig immer im Bereich unterhalb des angemessenen Bedarfs angesiedelt und wird damit auch im Falle einer Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf ausgeglichen.

 

BGH, Beschl. v. 7.11.2012 – XII ZB 229/11 Rn 53

…der ehebedingte Nachteil wirkt sich ausschließlich unterhalb des angemessenen Lebensbedarfs aus (vgl. Urt. v. 20.10.2010 – XII ZR 53/09, FamRZ 2010, 2059 Rn 23), hat also regelmäßig keinen Einfluss auf die Bestimmung des darüber liegenden Bedarfs.

Somit hat der Begriff "ehebedingter Nachteil" in der Regel keine andere Bedeutung als die Ermittlung der Differenz zwischen realem/fiktivem Eigeneinkommen aus angemessener Tätigkeit und angemessenen Bedarf.

 

BGH, Urt. v. 7.3.2012 – XII ZR 145/09 Rn 30

Ob ehebedingte Nachteile entstanden sind, ist zu ermitteln, indem die Lage, wie sie sich ohne Eheschließung und die gewählte Rollenverteilung ergeben hätte, und die tatsächlich bestehende Lage gegenüber gestellt werden. Dabei können zunächst entstandene Nachteile durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile – auch nach der Ehescheidung – kompensiert worden sein (Urt. v. 8.6.2011 – XII ZR 17/09, FamRZ 2011, 1381 Rn 33).

Der ehebedingte Nachteil ist in den meisten Fällen ein Erwerbsnachteil.

 

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 50

Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind. Dazu genügt es, wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Ob die Aufgabe des Arbeitsplatzes gegen den Willen des Unterhaltspflichtigen erfolgte, ist grundsätzlich nicht von Bedeutung. Wie sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, ist auf die tatsächliche Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen.

Die Beantwortung der Frage nach einem "ehebedingten Nachteil" enthält kein Unwerturteil. Sie beurteilt sich anhand objektiver Umstände.

 

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 50

Bei den in § 1578b BGB aufgeführten Kriterien handelt es sich zudem um objektive Umstände, denen kein Unwerturteil und keine subjektive Vorwerfbarkeit anhaften, weshalb im Rahmen der Abwägung nach § 1578b BGB nicht etwa eine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfindet. Daher kann der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht einwenden, dass er den Unterhaltsberechtigten während der Ehe zur Berufstätigkeit angehalten habe (Senatsurteil vom 16.2.2011 – XII ZR 108/09, FamRZ 2011, 628 Rn 18 ff. m.w.N.).

Der "ehebedingte Nachteil" erfordert aber einen Ursachenzusammenhang zwischen Ehe und Nachteil. Ein bloßes zeitliches Zusammenfallen genügt nicht.

 

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 51

Ein ehebedingter Nachteil liegt bei einer solchen Fallgestaltung nur dann nicht vor, wenn die Ehegestaltung für den Erwerbsnachteil nicht ursächlich geworden ist. Das wäre der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgegeben oder verloren hätte, die außerhalb der Ehegestaltung liegen (Senatsurteil vom 16.2.2011 – XII ZR 108/09, FamRZ 2011, 628 Rn 22).

Das Ausmaß des ehelichen Nachteils ist anhand eines Vergleichs der aktuellen Einkommenssituation mit der Situation bei hinweggedachter Ehe zu ermitteln.

 

BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 122/17 Rn 7

Um den ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt den ehebedingten Nachteil (Senatsbeschluss vom 26.3.2014 – XII ZB 214/13, FamRZ 2014, 1007 Rn 18 m.w.N.).

Man kann sich der gesamten Problematik gedanklich auf zwei Wegen nähern:

der angemessene Bedarf, der nicht durch (tatsächliches oder fiktives) Eigeneinkommen gedeckt ist, ist ein ehebedingter Nachteil.

oder

der in Geld veranschlagte ehebedingte Nachteil ergibt zusammen mit dem (tatsächlichen oder fiktiven) Eigeneinkommen den angemessenen Bedarf.

Das Vorhandensein eines ehebedingten Nachteils steht einer Herabsetzung nicht entgegen.

Trotz ehebedingter Nachteile ist eine Herabsetzung möglich, da die Herabsetzung nur bis auf den angemessenen Bedarf erfolgen kann und dadurch – ggf. in Verbin...

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